„Friedhöfe sind das Gedächtnis einer Stadt“

Rund 100 Zuhörer tauchten auf dem Friedhof Löh in die Geschichte Viersens ein.

Viersen. Wenn die größte Offenbarung die Stille ist, wie einst der chinesische Philosoph Laotse sagte, dann findet man diese ganz sicher auf dem wohl größten Friedhof im Kreis Viersen, dem Friedhof Löh, der rund fünf Hektar groß ist und aus dem 19. Jahrhundert stammt. Es scheint so, an diesem sonnigen Augustsonntag, als habe der Friede hier seine Heimat im Zusammenspiel mit der Natur.

Die „grüne Lunge“ der Kreisstadt ist jedoch weit mehr. Sie beherbergt nämlich fast 200 Jahre Kultur-, Stadt- und Baugeschichte, in Verbindung mit der Geschichte der Kirchen. Der Verein für Heimatpflege hatte zum Rundgang eingeladen. Rund 100 Viersener waren gekommen und erlebten eine stadtgeschichtliche Erlebnisstunde, die wohl viele Besucher noch lange in bester Erinnerung halten werden. Paul-Günther Schulte verstand es vortrefflich, die Friedhofsgeschichte lebendig werden zu lassen und ihn so ins Gedächtnis der Bürger zu rufen.

Stadtgeschichte wurde vermittelt mit Baugeschichte und den Bräuchen bei einer Bestattung gestern wie heute. „Friedhöfe sind das Gedächtnis einer Stadt“, so Schulte und es schien so, als nickte die Besucherschar zustimmend. Schon nach den ersten Schritten auf den breiten und gepflegten Wegen wurde deutlich, dass der Friedhof Löh ein herausragendes Denkmal der Kreisstadt ist.

Angelegt wurde er im 19. Jahrhundert — „aus Hygienegründen“, denn die Bestattungen auf den Friedhöfen der Remigius- und der Kreuzkirche waren einst nicht tief genug, so Schulte. Den Löhfriedhof als Park gibt es seit über 160 Jahren. Der Friedhof legt Zeugnis ab von der hohen Baukunst der Steinmetze und Künstler. Es sind immer wieder die Grabsteine, die beeindrucken, die zum Nachdenken anregen und die Unterschiede deutlich machen zwischen dem Groß- und Kleinbürgertum.

Den Ratsbeschluss aus dem Jahr 1800, den Friedhof Löh anzulegen, kann man heute als einen Glücksfall bezeichnen. Ab 1892 gab es, so Schulte einen „Grenze zwischen dem katholischen und evangelischen Teil des Friedhofes“ durch eine grüne Hecke. Jüdische Mitbürger hatten 1811 einen eigenen Friedhof an der Florastraße.

Die Grabsteine aus längst vergangener Zeit auf dem Friedhof schaffen ungewollt eine Verbindung zur Pietà von Brüll in der neuen Friedhofskapelle. Die sogenannten Leichenwege der Katholiken und Protestanten geben bis heute die Sicht frei auf die Remigius- und Kreuzkirche. Sicher war das früher so gewollt, wie Schulte feststellte.

Man kann sagen: Auf dem Friedhof Löh haben auch die Religionen zueinandergefunden. Die „trennende Hecke“ von einst ist heute ein Stück der grünen Lunge Friedhof Löh.