Starke Frauen...in Willich Chorleiterin will ins Guinness-Buch

Willich. · Andrea Kautny dirigiert den mit 180 Mitgliedern vielleicht größten Frauenchor der Welt. Alles begann mit einer Annonce.

Andrea Kautny legt bei ihren Proben Wert auf Disziplin. Die gut besuchten Auftritte und ein begeistertes Publikum geben ihr Recht.

Foto: Norbert Prümen

Andrea Kautny (48) ist ein Mensch, der sich nicht im Mittelmaß verliert. Gerade hat sie ihren Chor „Frauenpower“ im Guinness-Buch der Rekorde angemeldet: Mit 180 Mitgliedern könnte er der größte auf Dauer angelegte Frauenchor der Welt sein. „Eine Antwort steht noch aus“, sagt Andrea Kautny.

2001 gründete sie ihren gemischten A-cappella-Chor „Tonköpfe“, der sich auf Arrangements aller Genres, vor allem aber auf Popmusik spezialisiert hat. 2008 stellten sich bei der Suche nach einer neuen Altistin gleich so viele tolle Frauen vor, dass sie beschloss, einen Frauenchor zu gründen. Auf eine Zeitungsannonce meldeten sich mehr als 100 Frauen. Und Kautny legte gleich los. Sie wählt ausgesuchte Arrangements aus den Bereichen Pop, Rock, Gospel oder Musical aus, bevorzugt von Arrangeuren aus den USA. Kautny erstellt für beide Chöre Übungstracks für die einzelnen Stimmen im häuslichen, professionell ausgestatteten Tonstudio. So kann jeder sich optimal auf die Proben vorbereiten – auch Sänger ohne Notenkenntnisse.

Denn dies ist der Spagat, den die Chorleiterin vor allem im großen Chor immer wieder hinbekommt: aus einer Truppe von 180 Frauen mit ganz verschiedener musikalischer Vorbildung einen Einklang zu formen. Die Sängerinnen sind 13 bis 76 Jahre alt und „sehr unterschiedlich“, wie Kautny sagt. Mittwochabends ist Probe in der Aula der Leonardo-da-Vinci-Gesamtschule in Schiefbahn. Kautny steht dabei auf einer Plattform aus Tischen, mit dem Mikrofon in der Hand. „Damit mich auch alle sehen und hören können“, sagt sie schmunzelnd.

Regelmäßige Teilnahme ist für die Chorleiterin eine Voraussetzung

Sie legt Wert auf Zuverlässigkeit und erwartet regelmäßige Probenteilnahme. „Die Disziplin kommt durch eine spannende Probenarbeit“, erläutert Kautny: „Die Leute wollen singen, finden es schade, wenn mal eine Probe ausfällt.“ Auch hier heißt das Stichwort Freude. „Ich will jeden negativen Druck komplett rausnehmen, schone die Leute jedoch nicht. Denn der Spaß entsteht mit der wachsenden Qualität.“ Kautny ist eine Chorleiterin mit einem Gesamtkonzept, das über die reine Klangwiedergabe hinausgeht. „Ich möchte Emotionen transportieren“, sagt sie. Zunächst stellt sie jedes neue Lied ausführlich vor, erklärt, unter welchen Bedingungen es entstanden ist.

Sie arbeite auch viel mit Bildern. „Damit hole ich die Sänger in die jeweilige Stimmung.“ Das gesamte Repertoire wird bei den Konzerten auswendig vorgetragen. „Wenn die Leute sich hinter den Noten verstecken, kommt nicht so viel rüber. Wie bei einem Gespräch, bei dem man sich nicht in die Augen schaut“, findet sie. Eine von ihr ausgearbeitete Lichtchoreografie und Bewegungselemente der Sänger verstärken die Wirkung. Dafür gibt es für jeden Chor einmal im Jahr einen Workshop mit einem professionellen Choreographen. „Wenn dann bei ,Tears in Heaven’ 180 Sängerinnen den Schmerz von Eric Clapton um seinen verstorbenen Sohn nachfühlen und weitergeben, dann gibt es niemanden im Saal, der das nicht spürt. Das ist Leidenschaft, Energie pur“, sagt sie.

Kautny ist mehr als „nur“ Chorleiterin. Sie ist Managerin des Chores, kümmert sich um die Finanzen, die Termine, das Marketing, die Presse. „Ein Fulltime-Job“, wie sie anmerkt. Und einer, bei dem die ganze Familie mitmacht. Ihr Mann Friedrich ist nicht nur einer der tiefen Bässe bei den Tonköpfen. Der studierte Informatiker „wuppt die ganze Technik“, hat sich nebenberuflich zum Tontechniker ausbilden lassen. Tochter Alina (15) singt bei Frauenpower mit, Sohn Fabian (13) bedient die Lichttechnik. „Sonst ginge es nicht“, sagt die gelernte Bankkauffrau Kautny, die später Chorleitung studiert hat. Ihre Energie schöpft sie aus der Unterstützung durch die Familie und die Power „ihrer“ Sängerinnen. Die Begeisterung, die sie bei ihren Chören auslöst, kommt auch bei ihr wieder an: „Da schwappt so viel zurück“, sagt sie – und strahlt.