Anrath: Baustelle stockt
Der Landschaftsverband Rheinland hat angeordnet, das Areal um die Kirche zu untersuchen. Noch liegen die Arbeiten im Zeitplan.
Anrath. Von ein paar Metern Entfernung aus betrachtet, wirkt die Szene ganz normal, Großbaustelle eben. Beim genaueren Hinsehen bemerkt der Betrachter, dass es mit den Arbeiten an der Anrather Kirche nicht wirklich vorwärts geht. Hier läuft die Ortskernsanierung.
Eher scheibchenweise kommt der Bagger zum Einsatz, auf jeweils einigen Dutzend Quadratmeter können die Arbeiter dann gut zehn Zentimeter abtragen. Grund für dieses Vorgehen: Die Archäologen sind am Werk, suchen, ob es Spuren der Vergangenheit gibt, die festgehalten werden müssen.
Dieser Fall ist auch bereits eingetroffen. „Wir haben schon an Stellen was gefunden, an denen wir eigentlich nichts vermutet hatten“, sagt Iveta Andres, bei der Stadt Willich zuständig für die Baumaßnahme. „Ja“, bestätigt auch Archäologe Ulrich Ocklenburg aus Essen, „wir sind auf Reste des Friedhofs gestoßen.“ Es sagt es nicht direkt, aber ganz konkret hat er Knochen- und Schädelreste gefunden.
Die Funde kommen für Ocklenburg nicht unerwartet. Allein schon, dass die Kirche auf einem kleinen Hügel liege, sei verdächtig. Und: „Früher waren die Friedhöfe unmittelbar an den Kirchen, möglicherweise sind auch in Anrath Menschen im Gotteshaus bestattet worden.“ Ocklenburg ist zudem sicher, auf Mauerreste zu stoßen, Überbleibsel der Vorgängerkirche, die anders ausgerichtet war. Alles wird aufgezeichnet und kartografiert. „So nah wie jetzt kommen wir ja nie mehr heran“, sagt Ocklenburg.
Wie groß ist die Verzögerung, die bislang entstanden ist. „Rund einen Monat haben wir verloren“, sagt Gordon Scheel von der Baufirma Loock, die die Kanal-Arbeiten ausführt. Was allerdings auf den Ablauf der Gesamtmaßnahme keinerlei Auswirkungen haben soll. „Der Bauablauf ist ganz normal“, sagt Iveta Andres. Also kein Grund zur Panik? „Noch nicht“, antworten die Experten unisono.
„Das soll ja auch Hand in Hand gehen“, sagt Frank Hansen vom zuständigen Ingenieurbüro Angenvoort und Bart. Die Geologen gäben ein Stück frei, das dann bearbeitet werden könne. Man versuche auch, sich zu verständigen. Was bedeutet: Die Baufirma legt z.B. den Kanal ein wenig anders, als zunächst geplant.
Wie die Archäologen rechnet auch Hansen damit, dass in dem Bereich vor Schreibwaren Roggen weitere Funde liegen. Hier spricht man von einer „Höchstverdachtsfläche“. Was allerdings unerwartet war: Die Archäologen sind auf Reste von Planken gestoßen, nach Schätzung von Ocklenburg 500 bis 700 Jahre alt: „Hier ist mal ein Bach gelaufen.“
Auch für die Bevölkerung ist die Baustelle interessant, wie die große Zahl von Schaulustigen zeigt. Unter ihnen: Karla Meiendresch, Vorsitzende des Bürgervereins. „Ich habe Angst um unseren Heribert“, sagt sie mit Blick auf das Denkmal und lacht. „Aus der Sicht von Heimathistorikern ist das eine ganz spannende Geschichte“, sagt sie.