Betrug bei Sozialleistung: „Hartz-IV-Missbrauch“
Ein 66-jähriger Hartz-IV-Empfänger aus Tönisvorst hat Nebeneinkünfte verschwiegen. Die erzielte er in Thailand.
Tönisvorst. Wer im Internet unter dem Stichwort „Hartz-IV-Missbrauch“ sucht, kommt auf 536 000 Treffer: Falsche Angaben machen und dann Sozialleistungen einstreichen — das kommt immer wieder mal vor. Ein besonders drastischer Fall wurde am Dienstag vor dem Amtsgericht in Kempen verhandelt. Dort musste sich ein Tönisvorster (66) verantworten, der mehrfach im Jahr nach Thailand reiste, gleichwohl aber bei der Stadt Tönisvorst Grundsicherungs-Leistungen kassiert hatte.
Der mehrfach wegen Veruntreuung von Arbeitsentgelt vorbestrafte Mann war schon im Vorjahr zu einer einjährigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Er soll Nebeneinnahmen verschwiegen, sich aber bei der Stadt rund 6300 Euro verschafft haben. Gegen das Urteil hatte er Widerspruch eingelegt, über den nun verhandelt wurde.
Der Angeklagte erschien nicht. Wohl aber sein Kölner Anwalt. Denn der 66-Jährige wohnt seit kurzem in Köln und ist mit einer jungen Thailänderin neu verheiratet.
Staatsanwalt Hans Nauen verlas die Klageschrift: Wolfgang R. (Name geändert) soll von Februar 2008 bis Januar 2010 von der Stadt Tönisvorst die Grundsicherung erhalten und in dieser Zeit Nebeneinkünfte von 17 297 Euro erzielt haben — mindestens. Diese Einkünfte erzielte er auch in Thailand, wo er ein kleines Unternehmen betrieb, in Mietwohnungen lebte und zumindest in einer davon seine Miete nicht ordnungsgemäß bezahlt hatte. Recherchen des Eigentümers hatten in die Apfelstadt geführt.
Der Verteidiger versuchte das Fehlverhalten mit einer Krebserkrankung zu erklären, mit teuren Medikamenten, die von den Nebeneinkünften bezahlt worden seien. Nachweisen konnte er das nicht.
Der Staatsanwalt ließ diesen Einwand nicht gelten: „Hören Sie auf! Der Beschuldigte hat in Thailand in Saus und Braus gelebt, ist mit einem Motorrad durch die Gegend gefahren, hat sich mit jungen Frauen umgeben.“
Nauen verlas ein Zeugenprotokoll, wonach sich zumindest ein minderjähriges Mädchen in seiner thailändischen Wohnung aufgehalten haben soll. Inwieweit dies noch strafrechtliche Konsequenzen in Thailand hatte, wusste der Staatsanwalt nicht.
„Das Strafmaß kann auch anders aussehen, wenn wir weiter recherchieren, den Amtsarzt einschalten oder uns die genaue Anzahl der Flüge und das gewerbsmäßige Vorgehen ansehen“, drohte Nauen. Richterin Renate Holtz-Hellegers legte dem Verteidiger nahe, den Einspruch zurückzuziehen. Der stimmte schließlich zu — nach 20 Minuten war die Verhandlung beendet.