Klimaschutz im Kreis Viersen Kein Klimataler in Tönisvorst

Tönisvorst · Der Kreis Viersen übernimmt ein Jahr lang die Kosten für die App – für alle Städte und Gemeinden im Kreis. Während das Projekt in Kempen gut läuft, ist die Politik in Tönisvorst mehrheitlich dagegen mitzumachen. Was die Gründe dafür sind.

Die Klimataler-App auf dem Smartphone zeigt, wie viel CO 2 eingespart wurde und was man mit den erworbenen Klimatalern anfangen kann.

Foto: Birgitta Ronge

Das war wohl etwas voreilig: Auf der Internetseite www.klima-taler.com ist die Stadt Tönisvorst als teilnehmende Kommune bereits aufgeführt. Doch die Politiker im Tönisvorster Ausschuss für Umwelt, Klima, Energie und Landwirtschaft haben in dieser Woche mehrheitlich und unerwartet beschlossen, das Projekt Klimataler-App nicht weiterzuverfolgen. Dabei hatte der Kreis Viersen die Einführung der App beschlossen, und er übernimmt auch die Kosten für Entwicklung, Aufbau und den Betrieb für das erste Jahr.

In der Nachbarstadt Kempen läuft das Projekt seit einem Jahr recht erfolgreich: Hier wurde das „Team Kempen“ gegründet, das inzwischen aus mehr als 1100 Personen besteht, die in der App angeben, welche Wege sie mit Bus, Bahn und Rad oder zu Fuß zurücklegen. Fast 20 Tonnen Tonnen CO2 haben sie schon eingespart und so Klimataler gesammelt, die sie in teilnehmenden Geschäften einlösen können, nicht nur in Kempen, sondern in allen teilnehmenden Kommunen. Mehr als 500 sind es inzwischen.

Die Tönisvorster Stadtverwaltung verwies nun auf den Erfolg in Kempen, beeindruckte damit die Mehrheit im Ausschuss aber nicht. Und so stellte Marcus Thienenkamp (FDP) den Antrag, den Klimataler fallen zu lassen, als die Stadtverwaltung über den aktuellen Stand berichtete. Mit sieben Stimmen von CDU, UWT und FDP wurde der Antrag, sich vom Klimataler zu verabschieden, angenommen. Grüne und GUT (vier Stimmen) stimmten dagegen, die SPD (drei Stimmen) enthielt sich.

Vor allem die Grünen und auch die Stadtverwaltung versuchten, die anderen vom Projekt zu überzeugen, hoben die positiven Aspekte der App hervor – vergeblich. Doch was ist der Klimataler überhaupt genau? Die Nutzer laden sich die Klima-Taler-App anonym aufs Smartphone und sollen dabei unterstützt werden, aktiv zur Reduzierung von CO2-Emissionen beizutragen. Die App erfasst die zurückgelegten Strecken über die zurückgelegten Positionswaben, speichert aber nicht den genauen Standort. Für umweltfreundliche Fortbewegung zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln werden sogenannte Klimataler gutgeschrieben. Zudem können Taler durch die Nutzung bestimmter Energiesparmaßnahmen im Haushalt gesammelt werden.

Die Klimataler können dann bei teilnehmenden Geschäften sowie in Online-Shops, die entsprechende Angebote bereitstellen, eingelöst werden. Für Bürger und Geschäfte ist die Teilnahme kostenlos. Einzelhändler oder Gastronomen können sich aussuchen, wie sie die App-Nutzer belohnen wollen. So könne „eine Bäckerei beim Verkauf eines Kaffees diesen vergünstigt anbieten“, so die Stadtverwaltung. Der Vorteil für die Geschäfte bestehe darin, dass sie in der Klimataler-App kostenlose Werbung bei den Nutzern erhalten.

Für das erste Jahr hätte der Kreis Viersen die Kosten von rund 1500 Euro übernommen, weswegen der zuständige Fachbereichsleiter Jörg Friedenberg und Britta Rohr (Grüne) appellierten, es doch einfach mal auszuprobieren und dann zu schauen, wie es laufe. Der städtische Wirtschaftsförderer Markus Hergett würde nun gern auf die Suche nach teilnehmenden Geschäften gehen, sagte Birgit Lufen vom Team Umwelt und Planung bei der Stadt. Hergett befürworte das Projekt, stärke es doch die Kundenbindung.

Doch im Ausschuss gab es zahlreiche Bedenken. Der Wirtschaftsförderer werde derzeit für andere Dinge gebraucht, beispielsweise dafür, Unternehmen nach Tönisvorst zu holen, sagte Dirk Louy (CDU). Thienenkamp (FDP) kritisierte, dass ein Missbrauch der App möglich sei, da die Nutzer selbst angeben, welches Verkehrsmittel sie nutzen. Ob sie nun aber tatsächlich im Bus oder doch im Auto säßen, könne die App nicht erfassen. Außerdem koste der Betrieb einer App auch Energie, sie sei zudem eine „Datenkrake“, da sie Bewegungsprofile erstelle. Helge Schwarz (SPD) fragte scherzhaft, ob man denn Klimataler abgezogen bekomme, wenn man für die Strecke von Düsseldorf nach München das Flugzeug nutze, statt mit dem Zug zu fahren.

Markus Schulz, Mitbegründer der Klimataler-App, erfuhr von der Redaktion davon, dass Tönisvorst nun wohl als einzige Kommune im Kreis Viersen nicht dabei ist. Er betont, dass Tönisvorster Bürgerinnen und Bürger und auch die Gewerbetreibenden trotzdem mitmachen können (siehe Info). Die App sei für Bürger anonym, man müsse nicht einmal eine E-Mail-Adresse hinterlegen, es würden keine Daten gespeichert oder verkauft. Wer die App deinstalliere, verliere auch die gesammelten Klimataler, diese seien nirgendwo hinterlegt, sagt Schulz.

Die App diene dazu, auf spielerische Weise zum Klimaschutz zu animieren und durch eine Vergünstigung im Handel sozusagen ein „Schulterklopfen“ dafür zu bekommen, dass man mit dem Rad statt mit dem Auto gefahren sei. Übrigens könne das die App selbstständig durch eine KI erfassen, sagt Schulz. Die App erkenne mit einer Genauigkeit von 95 bis 97 Prozent, mit welchem Verkehrsmittel man unterwegs sei.