Das Puppenkabinett von Zipfelmütze
32 Figuren gehören zur Ausstattung des Tönisvorster Kaspertheaters: Neue sind bei Claudia Ludwig gerade in der (Papp-)Mache.
St. Tönis. Wissen Sie, mit was Sie Claudia Ludwig, Gisela Drews, Regina Gotzian und Petra Reiners glücklich machen könnten? Gucken Sie in Ihren Schrank, holen Sie Blazer und Blusen der 90er raus und trennen Sie die Schulterpolster ab. Handteller-große, weiche Schaumstofflagen können die Frauen bestens gebrauchten. Die Polster erhöhen den Tragekomfort ihrer Pappmaché-Kunst.
Wer von Claudia Ludwig aus St. Tönis spricht, spricht nach kurzer Zeit auch über „Zipfelmütze“. Das ist kein ein Ausflug in frühere Moden, sondern ihr Hobby. Seit 16 Jahren gibt es das gleichnamige Kaspertheater. Spielfreudige geben Handfiguren Charakter und Stimme und lassen die Puppen vor Kindergartenkindern und Senioren lebendig werden.
Die Gesichter der ersten Theaterreihe, die Pappmachéfiguren, sind fast alle made by Claudia Ludwig. Seppel, schlau-schlitzohrig im besten Sinne, ist beispielsweise so ein Charakterkopf, den man ansieht und denkt: „Gleich spricht er.“
Seppel ist 2001 „eingezogen“ und lebt mittlerweile mit 31 weiteren Handpuppen im Hause Ludwig. Deren Wohnzimmer ist gerade Werkstatt. Der Tisch ist übersät mit Zeitungspapier. Töpfe mit angerührtem Tapetenkleister stehen herum und vier Frauen halten Stöcke in den Händen.
„Wir sind die Nachwuchstalente“, sagt Gisela Drews und lacht, während sie Papierschicht für Papierschicht auf der Spitze ihres Steckens zu einer Kugel klebt. Die Zipfelmützen-Ensemblemitglieder Drews, Gotzian und Reiners wollen von Claudia Ludwig das Puppenmachen erlernen.
Die „Chef-Gestalterin“ gibt Ratschläge: „Für den Hinterkopf kannst du das Papier ganz locker knüllen und dann leicht andrücken. Das Gesicht bleibt erst mal platt.“ Gisela Drews nickt, klebt, pappt und erzählt, wie sie zu der Tönisvorster Truppe gestoßen ist: „Das war die schnellste Entscheidung meines Lebens. Das Kaspertheater trat vor drei Jahren in unserem Kindergarten in Krefeld an der Raiffeisenstraße auf. Puppentheater ist meine Welt.“ Seitdem ist Gisela Drews dabei.
Ihr klebriger Papierknuddel soll der Kopf eines Außerirdischen werden. Petra Reiners drückt gerade die Augenhöhlen in ihr Knäuel, so dass eine Nasenspitze aus dem Papier heraustritt. So weit der Plan. Ob das Köpfchen aber tatsächlich nachher das einer schönen Sultantochter aus 1001 Nacht oder doch die Visage eines neuen Räubers ist, bestimmt letztlich nicht sie, „sondern das Material“. Claudia tritt den Beweis an. Sie legt einen unbemalten Papierkopf in ihre Hand. Ganz klar: eine alte Frau. Doch dann hält sie eine braune Lockenperücke an die Stirn. Schon ändert der Kopf Alter und Geschlecht.
„Achtung, Ohren und Augenlider modellieren wir hinterher“, sagt Ludwig, als sie das Modell von Regina Gotzian prüft. Sie spielt seit 2007 bei „Zipfelmütze“ mit. „Meine erste Rolle war das Mondkalb“, erzählt sie und schiebt vergnügt hinterher: „Ich bin eigentlich Buchhalterin.“
Die Sultantochter von Petra Reiners ist auf dem Weg zur Nofretete. Mal sehen, wie sie später mit langen schwarzen Haaren wirkt. „Vielleicht wird’s auch ein Gespenst.“ Das Vergnügen am Kleistern und Modellieren steht den Damen ins Gesicht geschrieben.
Claudia Ludwig benötigt für eine Puppe neun bis zehn Stunden — ohne Trocknungszeit gerechnet. In der Zeit hat sie eine Puppe modelliert, frisiert, angemalt und angekleidet. Detailverliebt und stimmig. Birgit Spender hilft beim Nähen der Kleidung.
Die Schulterpolster sieht man später übrigens nicht. Mit ihnen werden die Puppenköpfe ausgestopft, damit die Finger der Puppenspieler einen besseren Halt haben.