Das Schicksal deportierter Kinder
Schüler des St. Bernhard arbeiten an Biografien für die Ausstellung im „Zug der Erinnerung“.
Schiefbahn. Herbert Heumann, geboren im Dezember 1937, war noch nicht einmal vier Jahre alt, als er in einen Kohletransporter steigen musste, der ihn aus seinem Leben abholte. Am 27. Oktober 1941 wurden er und seine Mutter von Düsseldorf aus ins Ghetto Lodz deportiert.
Bis zu diesem Tag war Schiefbahn das Zuhause, das Haus an der Schulstraße 2 die Heimat des kleinen Jungen. „Die Familie war eingegliedert in der Gemeinschaft“, sagt Antonia, Schülerin der Klasse 9f am St. Bernhard-Gymnasium. Das Dorf habe den Abtransport mitbekommen, haben die Schüler recherchiert. Wohl aus Angst um das eigene Leben sei damals keiner dagegen eingeschritten. Herbert Heumann starb 1942 in Kulmhof.
Herbert ist eines von vier Kindern aus Schiefbahn und Anrath, zu deren Schicksalen die Klasse von Lehrer Bernd-Dieter Röhrscheid zurzeit Nachforschungen anstellt. Die Recherche steht im Zusammenhang mit dem „Zug der Erinnerung“, der im März in Viersen Halt macht und für dessen Ausstellung die Schiefbahner Schüler nun ihre Plakate vorbereiten.
„Diese Menschen wachsen einem ans Herz“, sagt Antonia. Ihre Klassenkameradin Charlotte nickt. Sie hat sich der kurzen Biografie von Ruth Rübsteck genähert. Ruth, 1930 geboren, wohnte an der Willicher Straße 7 in Schiefbahn. Am 10. Dezember 1941 wurde sie, wie der vierjährige Bruno Schönwald von der Königstraße (heute Königsheide), ins Ghetto Riga deportiert. Ruth ist im November 1943 in Auschwitz für tot erklärt worden. Bruno starb Mitte 1944 im Konzentrationslager Riga-Kaiserwald.
„Im Internet haben wir erst gar nichts gefunden“, sagt Charlotte. „Aber im Stadtarchiv nebenan, bei Archivar Holzenthal, haben wir unglaublich viele Unterlagen bekommen.“ Auch Lehrer Röhrscheid hat zugesteuert.
Die Schüler haben sich ein Bild von Ruth gemacht. Und sie hat ein Gesicht: Eine Kennkarte trägt das Foto des mittelblonden Mädchens mit den braunen Augen. Es wird auf einem der Plakate, die die Schüler für die Ausstellung im Zug der Erinnerung vorbereiten, zu sehen sein.
Lisa, Fabian und Kyra spüren den Lebensjahren von Günter Laubinger nach. Der Roma-Junge wurde 1932 im Anrather Zuchthaus geboren. „Dort saß seine Mutter Adelheid zu der Zeit ein“, sagt Fabian. Ob Günter seine Lebensjahre bis zur Deportation 1943 dort verbracht hat, wissen die Schüler nicht: „Die JVA Anrath hat uns keine Antwort darauf gegeben.“
Sicher ist Günters Todesdatum: 24. März 1944, Auschwitz-Birkenau. Den Schiefbahner Schülern liegt der „Hinweis über die Neubeurkundung“ seines Sterbefalles vor. Es ist ein Formular — auch gegen das Vergessen.