Tönisvorst Der Lkw-Fahrer ist verurteilt
Der 45-jährige Mann aus St. Tönis, der im Mai 2016 den Tod einer 13-jährigen Schülerin aus Vorst zu verantworten hatte, hat eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung bekommen.
Vorst/Kempen. Selbst in der wortlosen Stille in den Verhandlungspausen war das Leid derer, die dieser Freitagmorgen in Saal 25 des Kempener Amtsgerichts wieder zusammengeführt hatte, allgegenwärtig: Auf der Anklagebank saß Lkw-Fahrer B. aus St. Tönis, verheiratet, 45 Jahre alt, zweifacher Vater aus erster Ehe.
Ihm gegenüber, als Nebenklägerin, die Mutter des Mädchens, das am 20. Mai 2016 auf der Süchtelner Straße in Vorst nach dem Ausstieg aus dem Schulbus von seinem Lkw erfasst und dadurch lebensgefährlich verletzt wurde.
Die damals 13-Jährige erlag fünf Tage später ihren Verletzungen. Sie erlitt ein schweres Schädelhirntrauma. Sie war durch die Wucht der Kollision mit dem Lkw 21 Meter weit durch die Luft auf den Asphalt geschleudert worden. Diese Verletzung hatte ihr keine Überlebenschance gelassen.
Der Angeklagte räumte seine Schuld ohne Wenn und Aber ein. Zu Beginn der Verhandlung und während seines Schlusswortes vor der Urteilsverkündung sagte B., den Blick auch in Richtung Mutter und Stiefvater gewandt: „Ich entschuldige mich bei der Familie. Wenn ich das Mädchen erwecken könnte, würde ich mein Leben dafür geben.“
Der Vorsitzende Richter Tim Buschfort, Direktor des Amtsgerichts Kempen, verurteilte den St. Töniser gestern zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung. Damit folgte er im Strafmaß der Forderung der Staatsanwältin. Er hob allerdings die Dauer der Bewährungszeit von drei auf vier Jahre an. B. muss darüber hinaus eine Geldstrafe in Höhe von insgesamt 4500 Euro in monatlichen Raten an den Kinderschutzbund Kempen zahlen. Sein Führerschein wird für mindestens 18 Monate eingezogen.
Das Gericht bewertete Hergang und Ausgang des Unfalls als eine Kombination aus Vorsatz und Fahrlässigkeit — vorsätzlich habe der Angeklagte den Straßenverkehr gefährdet, und damit in Tateinheit fahrlässig den Tod der Schülerin verursacht. Das Überholen des stehenden Busses und der zwei dahinter wartenden Autos sei, so der Richter, „äußerst risikobehaftet“ gewesen, der Fahrer dabei ausschließlich auf das schnelle Vorankommen bedacht gewesen. „Das war rücksichtslos“, so der Richter.
Von Schrittgeschwindigkeit war der Fahrer weit entfernt. Entsprechende sieben Stundenkilometer habe er „um ein Vielfaches überschritten“, so die Staatsanwältin. Andere Verkehrsteilnehmer hatten das Tempo des Lkw beim Überholvorgang auf mindestens 30 km/h geschätzt.
Der Unfallhergang war zuvor in Befragungen noch einmal akribisch nachvollzogen worden. Als Zeugen sagten sowohl der Busfahrer aus als auch die beiden Männer, die hinter dem stehenden Schulbus angehalten hatten und die Lkw-Fahrer B. bei seinem Überholmanöver passiert hatte. Außerdem sagte ein Fahrer aus, der auf der Süchtelner Straße in Fahrtrichtung St. Tönis angehalten hatte, da ihm der Lkw auf seiner Spur entgegenkam. Gehört wurde schließlich ein weiterer Fahrer, der mit seinem Wagen an der Einmündung Oedter Straße zur Süchtelner Straße gewartet hatte. Alle Zeugen standen noch unter dem Eindruck des Erlebten.
Sein nichts beschönigendes Geständnis, „glaubhafte Reue“ und der Umstand, dass das Mädchen, so der Richter, „leider nicht auf den Verkehr geachtet hatte“, wurden bei der Bemessung des Strafmaßes berücksichtigt. Zeugen sagten aus, das Kind sei auf die Straße gelaufen.
Nicht unberücksichtigt blieb auch der Umstand, dass B.s Name in den vergangenen Jahren mit Verstößen im Zentralen Verkehrsregister-Auszug aufgetaucht ist und er mehrere Jahre ohne Führerschein war.
Richter Buschfort ließ seinem Urteil deutliche und mahnende Worte an den Angeklagten folgen: „Wenn Sie gegen Auflagen verstoßen, hebe ich die Bewährung auf, dann gehen Sie ins Gefängnis. Wenn Sie in der Zeit eine Straftat begehen, gehen Sie ins Gefängnis.“ Eine Schwarzfahrt in der Bahn könne schon reichen.