Willich Der tiefe Sturz der Conny Wingerath

Zwei Jahre Haft lautet das Urteil gegen die ehemalige SPD-Ratsfrau. Die 48-Jährige hat knapp 57 000 Euro unterschlagen.

Foto: WZ-Archiv

Willich. Bis vor zwei Wochen war sie noch geachtetes SPD-Mitglied im Willicher Stadtrat — jetzt muss Conny Wingerath ins Gefängnis: Das Krefelder Amtsgericht hat die 48-Jährige gestern zu zwei Jahren Haft wegen gewerbsmäßigen Betrugs verurteilt. Sie wurde für schuldig befunden, in insgesamt 51 Fällen Geld in einer Gesamthöhe von knapp 57 000 Euro auf eigene Konten überwiesen oder gleich für Einkäufe und Schönheitsbehandlungen ausgegeben zu haben. Geld, auf das sie als Verwalterin für verschiedene Wohnungseigentums-Gesellschaften den Zugriff hatte.

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Die entsprechenden Fälle spielten sich zwischen 2011 und 2015 ab. Mal ging es um Kleckerbeträge von 5,95 Euro, mal um Summen von mehr als 4000 Euro. Der Staatsanwalt sprach von einem „erheblichen Maß an krimineller Energie“, das durch die Vielzahl der Fälle sichtbar werde. Mal handelte die Willicherin dabei als Angestellte, mal als Chefin des eigenen Unternehmens.

Vom ganzen Ausmaß der Verfehlungen zeigte sich der Willicher SPD-Vorsitzende Dietmar Winkels nach der Urteilsverkündung „noch mehr erschüttert als vor zwei Wochen“: Er und Fraktionschef Bernd-Dieter Röhrscheid, der ebenfalls zur Verhandlung gekommen war, hatten keine Ahnung davon gehabt, dass Wingerath einschlägig vorbestraft war und 2008 schon einmal eine Bewährungsstrafe erhalten hatte. Und sie hatten auch keine Ahnung davon gehabt, dass die Parteifreundin 2014 erneut zu acht Monaten auf Bewährung verurteilt wurde, weil sie zu Unrecht Arbeitslosengeld bezogen hatte. Wenige Tage, nachdem ihr der Strafbefehl im Januar 2015 zugestellt wurde, buchte sie wieder Geld vom Konto einer Eigentümergemeinschaft ab — ein negativer Umstand, den der Richter in seiner Urteilsbegründung ausdrücklich hervorhob.

Zu ihrer Verteidigung führte Wingerath unter anderem Schulden an, die sie für ihren ehemaligen Mann habe zahlen müssen. Auch habe sie sich allein um ihren Sohn (21) kümmern müssen. „Alle haben an mir gezerrt“, sagte sie. „Schuld waren immer andere“, kommentierte dies später der Staatsanwalt.

Ihr Verteidiger hob dagegen hervor, seine Mandantin lebe in ihrer eigenen Realität und könne das begangene Unrecht nicht angemessen einordnen. Er ließ deshalb sogar Wingeraths Vater als Zeuge aufrufen, der aber wenig zur Erhellung beitragen konnte. Zudem beantragte der Verteidiger ein psychologisches Gutachten, was das Gericht aber ablehnte.

Auch seinem Appell, eine Bewährungsstrafe zu verhängen, folgte das Gericht nicht. Mehr noch: Es blieb beim Strafmaß über dem Staatsanwalt, der — einschließlich der genannten Bewährungsstrafe von 2014 — ein Jahr und zehn Monate gefordert hatte.

Ob Wingerath, die sichtlich mitgenommen wirkte, das Urteil anfechten wird, blieb offen. Sie befindet sich seit der vergangenen Woche in U-Haft — allerdings nicht in der Strafsache, wegen der sie jetzt verurteilt wurde. „Aber wohl auch nicht, weil sie einer alten Dame über die Straße geholfen hat“, sagte der Staatsanwalt.