Die lange Reise der Weihnachtsbäume

Nordmanntannen und Blaufichten, die Obstbauer Mertens in Willich verkauft, sind in Dänemark oder im Sauerland gewachsen.

Willich. Hätten Sie’s gewusst? Ihr Tannenbaum, ja, das Exemplar in Ihrem Wohnzimmer, hat möglicherweise gut und gerne 800 Kilometer Wegstrecke hinter sich — zwischen dem Ort, an dem er so stattlich gewachsen ist und Ihrem Christbaumständer, in den er nun eingespannt ist. Wir haben die Reise eines Weihnachtsbaums einmal nachempfunden. „Reisebegleiter“ ist der Willicher Obstbauer Frank Mertens.

Seit Mitte der 70er Jahre, als Frank Mertens fünf Jahre alt und Junior auf dem elterlichen Hof in Schiefbahn war, verkauft die Familie Weihnachtsbäume. „Damals hatten meine Eltern eine eigene Kultur an Edeltannen“, erzählt Mertens. Zwei-, dreihundert Bäume seien in der Zeit vor einem Weihnachtsfest verkauft worden. Heute hat sich die Zahl verzehnfacht. In Willich gewachsene Bäume sind nicht mehr darunter.

Mertens ordert Bäume. Er bezieht Blau- und Nordmanntannen aus Rønde in Dänemark und von einer Plantage in Pulheim bei Köln. Außerdem arbeitet er seit fast 20 Jahren mit einem Händler aus dem Sauerland zusammen, „mit Ulrich Hufnagel aus Schönholthausen bei Finnentrop“. Für Hufnagel ist der Handel mit Weihnachtsbäumen ein Ganzjahresgeschäft. Mertens: „Im Frühjahr wird dort gepflanzt, im Sommer ist Zeit für Schnitt und Pflege und im Herbst geht die Saison los.“ Seinen jährlichen Besuch im Sauerland hat der Willicher Obstbauer schon hinter sich: „In den ersten Jahren bin ich den ganzen Tag durch die Baumreihen gelaufen und habe gesagt: „Den nehm ich, den nehm ich, den nehm ich nicht.“ Heute ist der Kauf der Bäumen gros Vertrauenssache.

Etwa ein Drittel seiner Tannen bezieht Mertens aus Finnentrop. 40 Prozent der Bäume, die er in Wekeln verkauft, sind in Dänemark gewachsen, in Rønde im Osten Dänemarks. Diese Bäume bezieht er über Werner Meller vom Gut Sonnenberg in Pulheim-Stommeln, der auch auf dem Gelände einer ehemaligen Kiesgrube Bäume wachsen lässt. Nährstoffarme Böden sind ideal, bedingen ein langsameres Wachstum der Bäume, die sich dadurch dichter verzweigen. Bei der Nordmanntanne wird für den gleichmäßigen Wuchs mit dem richtigen Pflegeschnitt nachgeholfen.

Die Bäume aus Dänemark kommen liegend in Pulheim an. Sie stecken zu 90 oder 100 Bäumen, eingenetzt und gestapelt, in Holzpaletten in Lkw-Anhängern und werden per Spedition an den Niederrhein transportiert. „Nordmanntannen kann man liegenlassen, ihnen passiert nicht“, sagt Mertens. Eine Stunde aus dem Netz, entfalte sich der Baum wie an seinem ursprünglichen Standort. „Man muss nur darauf achten, dass die Schlagstelle feucht gehalten wird“, sagt Mertens. Er rät: „Den Baum im Netz in den Christbaumständer stellen und erst dann das Netz entfernen.“

Bäume mit Ballen sind bereits Ende November ausgemacht worden. Die anderen werden seit Anfang Dezember geschlagen. Nur noch zwei Prozent Rotfichten ordert Mertens, „für Liebhaber, die den Duft des Baumes nicht missen wollen“, sagt er. Das kommende Wochenende des dritten Advents wird Hauptverkaufszeit sein. Ihren letzten Weg zum Fest legen die Bäume im Pkw zurück — auf dem Dach oder im Kofferraum. Am Christbaumständer wird es heißen: „Sie haben Ihr Ziel erreicht.“