Ein Fotoalbum für Abdullah
Hilfe: Der Junge aus dem Jemen hat verkrüppelte Füße. In Willich wird er operiert, in Oedt in einer Familie gepflegt.
Willich/Oedt. Der kleine Knirps im Rollstuhl düst blitzschnell um den Esszimmertisch herum und bremst gekonnt neben einem Stuhl. Auf dem sitzt Nadja Pienkowski. Ein Lächeln fliegt ihr aus dunklen Augen entgegen. "Na, Abdullah, du Rennfahrer", lacht die 28-Jährige. Sie hält ein Fotoalbum in den Händen. Neugierig linst der Zwölfjährige hinein. Doch die Bilder sind für ihn nichts Neues. Er hat viele von ihnen selber gemacht. Abdullah im Schnee. Abdullah hoch zu Ross. Auf dem Spielplatz. Beim Kickern. Mit einem Kapitän auf einem Rheinschiff. Beim Pudding-Rühren. Auf allen ist ein lächelnder Junge zu sehen.
"Das Album ist eine schöne Erinnerung für dich, wenn du wieder nach Hause fährst", meint Nadja Pienkowski. An die Heimreise mag die ganze Familie Pienkowski aber gar nicht denken, denn den schmalen dunkelhäutigen Jungen mit den schwarzen Haaren haben sie mehr als nur in ihr Herz geschlossen.
Seit dem 18. September lebt der Junge aus dem Jemen bei der Oedter Familie. Er hatte verkrüppelte Füße und war über das Hammer Forum in das Willicher Krankenhaus eingeliefert worden. "Abdullah kam Ende April 2007 in Willich an. Aber erst im Sommer lernte ich ihn kennen, als er nach den ersten Operationen seiner Füße auf unsere Station kam", erinnert sich Nadja Pienkowski.
Es war Liebe auf den ersten Blick. Die beiden verstanden sich gut und die Leiterin der Stationen 2 und 3 des Willicher Krankenhauses wollte den damals Elfjährigen "eigentlich nur für ein paar Tage aus dem Krankenhausaufenthalt entführen", wie sie es sagt. Aus den Tagen wurden Monate. Alle Pienkowskis, dazu gehören Nadjas Eltern Renate und Erhard, waren sich einig, dass sie die Pflegefamilie für den Jungen aus dem Jemen werden wollten. So muss er seit September nicht mehr im Krankenhaus leben, sondern nur noch zu den nötigen Untersuchungen und Operationen ins Hospital zurück.
Anekdötchen haben die Pienkowskis mit Abdullah in der Zeit reichlich erlebt. Am meisten müssen sie lachen, wenn sie an ein gemeinsames Abendbrot denken: "Auf einmal fragte Abdullah, wo Erhard denn Renate gekauft hätte", erinnert sich Nadja Pienkowski. Ihrem Vater sei vor Überraschung die Gabel aus der Hand gefallen. Aber im Jemen sei es üblich, das Männer die Frauen kauften.
Für seine Gastmutti und Großeltern ist Abdullah voll des Lobes. "Chefin von Küche kocht wie Mama", versichert er. Er fühlt sich pudelwohl. Donnerstags geht er mit Opa Erhard kickern. Er liebt Pippi Langstrumpf im Fernsehen, schmust mit Katze Mickey, fotografiert alles, was ihm vor die Linse kommt, singt DJ Ötzi-Lieder und lässt sich von Oma Renate verwöhnen: "Spaghetti mit Fleisch sind mein Lieblingsgericht."
Besonders freut sich Abdullah, wenn die letzte Operation vorbei ist und er endlich an Krücken mit dem Laufen beginnen kann.
Hilfsorganisation Abdullah ist eines von vielen Kindern, die im Laufe der Jahre über die Hilfsorganisation Hammer Forum im Willicher Krankenhaus behandelt wurden.
Gastfamilien Das Katharinen-Hospital sucht, wenn es der Gesundheitszustand eines Kindes erlaubt, Gastfamilien, die sich ehrenamtlich um den jungen Patienten kümmern.