Ein Ort für die Trauer

An Allerheiligen und Allerseelen rücken die Friedhöfe ins Bewusstsein — ein Spaziergang.

Vorst/Anrath. Es ist ein Ort der Stille — normalerweise. An Allerheiligen und Allerseelen rücken die Friedhöfe besonders ins Bewusstsein, die Grabstätten werden besucht und gesegnet. Für den Feiertag werden die Gräber schön hergerichtet. Und am Tag vor Allerheiligen herrscht am Morgen geschäftiges Treiben auf dem Friedhof in Vorst. Die Friedhofsgärtner knattern mit Traktor und Rasenmäher über die Wege und Grünflächen. Viele Menschen harken, pflanzen oder beschneiden Hecken und Büsche.

Auch Dieter Schui ist mit der Schaufel im Einsatz. „Die Blumen haben sich in diesem Jahr lange gehalten“, erzählt er. Doch nun sind die roten Betunien verblüht und sie müssen den winterfesten Eriken weichen. Seine Großeltern und sein Vater sind dort beerdigt. Und auch wenn sein Vater schon 38 Jahre tot ist, ist es ihm wichtig die Erinnerung aufrecht zu erhalten und das Grab zu pflegen. Es ist eine geschäftige, trotzdem auch nachdenkliche Stimmung auf dem Friedhof.

Günter Stelten hat einen Wischmop mitgebracht, mit dem er das Urnengrab seiner Frau von Blättern und Schmutz befreit. Lange hat er seine Frau vor ihrem Tod gepflegt, nun pflegt er ihr Grab. „Das Leben geht weiter“, sagt er, zuckt die Schultern und ersetzt die verblühten Blumen durch eine winterfeste Scheinbeerenpflanze. Er ist zwei bis drei Mal in der Woche zu Besuch.

Eine Frau aus Vorst ist ebenfalls mehrmals in der Woche auf dem Friedhof und schaut am Grab ihres Mannes nach dem Rechten. „Das ist mir wichtig und meinen Kindern auch“, erzählt sie, nachdem sie gerade eine neue Pflanze in die Erde des gepflegten Grabes gesetzt hatte. 2007 steht als Todesjahr auf dem Grabstein. „Aber es ist immer noch frisch“, sagt die Frau und streicht sich unter der Brille eine Träne aus dem Auge.

Das Gedenken brennt und erblüht. Auch wer kein Grab zum Trauern hat, findet hier einen. Angehörige, die ihre Mutter anonym beigesetzt haben, haben einen Kranz am Ehrenmal niedergelegt mit der Aufschrift „Unserer lieben Mutter in Liebe und Dankbarkeit“.

Auf dem Friedhof in Anrath geht es derweil ruhiger zu. Nur noch an wenigen Stellen wird gearbeitet. Eine Frau bleibt vor einem Grab stehen, macht ein Kreuzzeichen und betet still. Viele Besucher spazieren, legen Blumen nieder oder zünden eine Kerze an.

So wie ein Ehepaar aus Viersen. Sie sind zum Grab des Vaters des Mannes gekommen. 13.8.1946 ist das Todesdatum auf dem Ehrengrab des Soldaten, der an den Folgen seiner Kriegsverletzungen gestorben ist. Auch nach so langer Zeit ist für die Angehörigen die Erinnerung selbstverständlich. „Wir waren auch in Ysselsteyn, auf diesem Soldatenfriedhof liegen 32 000 Soldaten“, sagt die Viersenerin. Eine Gänsehaut bekomme man dort.

Ein älteres Pärchen legt an der Gedenkstele für die Urnengräber Blumen nieder, drei Blumen werden auf den Rasen daneben gelegt. „Ich bringe alle zwei Wochen drei Blumen her, für meine Mutter, meinen Mann und den Mann meiner Freundin“, sagt die 75-jährige Anratherin. Heute sind es gelbe Chrysanthemen, die Lieblingsblumen ihrer Mutter. Sie bemerkt, dass viele Gruften leer bleiben. Die Urnenbestattungen machen die Pflege besonders für ältere Angehörige einfacher.

Auch ein Pärchen im mittleren Alter ist emsig bei der Arbeit und hat zwei Stunden lang die Familiengruft hergerichtet. „Wir haben schon gesagt, dass wir uns eigentlich gut vorstellen können, uns einäschern zu lassen“, sagt die Frau. Die Grabpflege betreiben sie besonders für die Eltern, ihnen sei die Grabstelle sehr wichtig.