Olympia Eishockey: St. Töniser kämpft in Pyeongchang um Gold - seine Eltern fiebern mit
Sabine und Jörg Noebels, die Eltern des Eishockey-Stars, drücken in St. Tönis die Daumen. Sein olympisches Turnier in Pyeongchang — nun mit Chance auf Gold — ist ein Traum.
St. Tönis. „Ist der drin? Ist der drin? Ja oder nein? Bitte sag, dass er drin ist!“ Am Mittwoch flippten die Olympia-Kommentatoren von Eurosport schier aus, als Patrick Reimer in der Nachspielzeit den Puck ins Tor der Schweden, der Weltmeister, zirkelt. „Sind wir Zeugen eines historischen Moments?“ Dann steht’s da schwarz auf weiß: Men’s Ice Hockey: Schweden 3, Germany 4. „Jaaaaa! Jaaaa! Good Goal!“
„Das war in der Tat fantastisch!“ sagt Sabine Noebels. Sie meint die Sprecher, das Spiel, das Ergebnis, vor allem das Tor ihres Sohnes Marcel im Viertelfinale des Eishockey-Turniers in Pyeongchang. Er hat mit dem Treffer zum 2:0 den Mannschaftserfolg mit möglich gemacht.
„Uns liefen die Tränen vor Freude“, sagt Sabine Noebels. Ein hochemotionaler Moment sei es gewesen. „Es war für mich tatsächlich der schönste Moment in der Eishockey-Karriere meines Sohnes.“
Wer hätte da gedacht, dass diese Glücksgefühle noch zu toppen sind. Freitagmittag, 15.33 Uhr Ortszeit St. Tönis. Auf dem Bildschirm liegt sich eine Riesentraube von Eishockey-Spielern im deutschen Trikot in den Armen. Pure Freude nach einem dramatischen dritten Drittel, in dem die herausgespielte und komfortable Führung auf ein 4:3 geschmolzen war. Dazwischen eingeblendet die fassungslosen Gesichter kanadischer Spieler, die das Finale tatsächlich verpasst haben und Sonntag um Bronze spielen. Für Marcel Noebels und sein Team ist Silber sicher. Sie können sich diese Spiele sogar vergolden.
Sabine Noebels ist emotional geschafft: „Die letzten zehn Minuten waren sehr anstrengend. Das wurde zum Schluss schon sehr aufregend.“
Am Morgen hatte sie Marcel eine SMS geschrieben. „Er meinte, er sei nervös. Das habe ich von ihm noch nie gehört.“ Es sei zugleich ein Highlight für ihn, dort zu sein. „Und nun die Chance auf die olympische Gold-Medaille. Toll, wie weit die Jungs es geschafft haben.“
Ehepaar Noebels hat auch das Halbfinale wieder allein zu Hause im Wohnzimmer geschaut. Ein Ritual gibt es vor jedem Spiel, egal, wo, wann oder für wen ihr Sohn gerade die Schlittschuhe anzieht: „Wir zünden immer eine Kerze an und dann schreibe ich Marcel: Die Kerze brennt!“
Sie und ihr Mann Jörg stünden zu jeder Tages- und Nachtzeit für Übertragungen auf, um den Sohn spielen zu sehen. „Wir sind berufstätig, haben auch nur 25 Tage Urlaub im Jahr, da kann man nicht überall live dabei sein.“ Als Marcel vom Proficlub Philadelphia verpflichtet wurde, standen die Eltern regelmäßig nachts um 3 Uhr auf, um per Internet-Übertragung live dabei zu sein.
Freunde, Nachbarn, Bürger von St. Tönis sind schon nach dem Viertelfinalsieg gegen Weltmeister Schweden auf die Noebels zugegangen, haben gratuliert und drücken nun weiter die Daumen. „Auch jetzt bimmelt das Telefon schon die ganze Zeit, aber wir müssen nach dem Spiel jetzt erst einmal wieder zur Ruhe kommen“, sagt Sabine Noebels.
Die ersten sportlichen Schritte hat Sohn Marcel als Vierjähriger in St. Tönis noch auf dem Rasen gemacht, als Fußballer des SV St. Tönis. „Als er sechs war, ist mein Mann mit ihm nach Krefeld zur Eishalle fahren. Der Junge sollte eigentlich nur Schlittschuhlaufen lernen.“
An jenem Sonntag, einem Schicksalstag sozusagen, habe ihn dann sein späterer Jugendtrainer angesprochen und zu einem ersten Lauf-Training eingeladen. Sabine Noebels: „Dabei waren wir gar keine Eishockey-Fans.“
Das hat sich geändert. Die Noebels stehen auch in einem engen Austausch mit Fans der Eisbären in Berlin, Marcels aktuellem Klub. „Aus Heidelberg bekommen wir regelmäßig Artikel und Fotos aus anderen Zeitungen geliefert“, erzählt Sabine Noebels, die eine fortmatfüllende Sportseite der Berliner Morgenpost mit einem großen Foto ihres Sohnes und der Schlagzeile „Deutschlands Wintermärchen“ nach Mittwoch auf ihrer Facebookseite gepostet hat.
Die ersten Schlittschuhe, nein, die habe sie nicht mehr, sagt Sabine Noebels: „Leider! Aber wer rechnet mit so einer Karriere?“
Als Mutter freue sie sich sehr, dass sich ihr Sohn in Pyeongchang „pudelwohl“ fühlt. Und sogar Zeit gefunden hat, sich Wettkämpfe anderer Spitzenathleten der Winterspiele auch live anzusehen: „Er hat beispielsweise Claudia Pechstein laufen sehen und erlebt, wie Laura Dahlmeier eine Goldmedaille geholt hat.“ Marcel könnte es der Biathletin am Sonntag gleichtun. Ab 5.10 Uhr. Ein Sonntag. Vielleicht wieder so ein unerwarteter Schicksalstag. Sicher ist: Die Kerze wird brennen.