Die Ausrüstung, mit der die stellvertretende Tönisvorster Bürgermeisterin vor dem Heimathaus in Vorst auftaucht, erinnert an einen Frühjahrsputz. Christiane Tille-Gander trägt einen Putzeimer samt Putztüchern und „frisch gekaufter Messingpolitur“, wie sie verrät. Aber nicht nur sie ist so ausgerüstet. Auch Anja Lambertz, Fraktionsvorsitzende der CDU, hat einen Putzeimer mit Tüchern und eine Flasche Politur im Gepäck. Zudem hat sie eine Kunststoffflasche mit einer eigens angemischten Spezialreinigung dabei. Es handelt sich um einen Liter Wasser, der mit einem halben Liter Essig sowie zwei Teelöffeln Salz verrührt ist. „Im Internet wird dies als sehr gutes Mittel für die Reinigung von Stolpersteinen angegeben. Also habe ich die Lösung daheim angesetzt“, sagt Lambertz.
Um die Reinigung der Stolpersteine dreht sich an diesem Samstagnachmittag in Vorst alles. Die Fraktionsvorsitzende hat die Aktion angeregt. „Ich habe am Stolpercafé teilgenommen und musste bei der Tour entlang der Stolpersteine in Vorst feststellen, dass sie sehr verschmutzt und teilweise gar nicht mehr richtig lesbar waren. Das hat mich auf die Idee gebracht, eine Reinigungsrunde anzuregen und so ein Stück weit gegen das Vergessen zu arbeiten“, sagt Lambertz.
Der Heimatverein Vorst in Form des Vorsitzenden Heinz-Josef Köhler wurde mit ins Boot genommen. Köhler weiß ganz genau, wo jeder einzelne Stolperstein liegt. Insgesamt sind es 19, an neun Standorten, quer durch Vorst verteilt. „Handschuhe für die Hautempfindlichen“, sagt Wahlkreisbetreuer Christian Link und erntet lächelnde Gesichter, als er das Paket Einmal-Handschuhe hochhält, das er mitgebracht hat. Mit Annette Hegger und Christian Link ist die Gruppe vollständig und es geht los.
Der erste Stolperstein, der angesteuert wird, ist der von Kaplan Theodor Kniebeler auf dem Marktplatz vor der Kirche. Hier predigte er am 19. April 1942 gegen das Regime. Für ihn bedeutete das letztendlich den Tod. Lambertz trägt mit einem Schwämmchen ihre Spezialreinigungslösung auf, während Tille-Gander etwas Politur auf ein Tuch gibt, um nach der Reinigung zu polieren. Das Tuch verfärbt sich grünlich – der Stein inmitten der Bodenplatten vor der Kirche beginnt wieder zu strahlen.
Vom Marktplatz geht es zur Steinstraße, wo sich der Erinnerungsstein von Josef Vogel befindet. Er wurde aufgrund seiner Behinderung ein Opfer der Nationalsozialisten. „Er war der Bruder meiner Mutter“, sagt Ulrike Reischke, die während der Putzaktion vor ihrem Haus aus der Türe tritt und ihr Wohlwollen über die Aktion zum Ausdruck bringt. Stein für Stein schreitet die Gruppe voran. Das Ergebnis: Ein jeder ist wieder gut lesbar.