Lehrer Phillip Parusel wurden wegen Freiheitsberaubung verwarnt „Ich will nicht der Kumpel meiner Schüler sein“

Lehrer Phillip Parusel ist am Mittwoch wegen Freiheitsberaubung verwarnt worden. Wir konnten noch vor dem Urteil mit dem Willicher über seinen Beruf sprechen.

Foto: Tinter

Wie geht es Ihnen im Moment?

Phillip Parusel: Ich bin nach wie vor verletzt, auch ein bisschen zornig, dass mir so wenig Vertrauen entgegengebracht wurde und ich in meiner Arbeit — ja — kriminalisiert worden bin. Und mit dem Medienrummel, der dann plötzlich eingesetzt hat, habe ich nicht gerechnet.

Wie reagiert Ihr Umfeld?

Parusel: Es ist schon ein gespaltenes Gefühl, wenn man in der Postfiliale oder an der Wursttheke erkannt wird. Lieber wäre ich mit meiner Band in den Medien. Aber insgesamt bekomme ich viel Unterstützung. Gerade viele Ältere reagieren mit Kopfschütteln, was heute so an Schulen los ist.

Haben Sie Ihre Berufswahl in den vergangenen Monaten bereut?

Parusel: Nein. Okay, wenn Sie mich jetzt fragen, ob ich den Job weiterempfehle, wäre ich vorsichtig. Aber jeder Beruf hat seine Schattenseiten, und ich erlebe viele schöne Sachen. Die treten nur manchmal durch viele nervige Vorkommnisse in den Hintergrund.

Wie würden Sie sich als Lehrer-Typ beschreiben?

Parusel: Ich will nicht der Kumpel meiner Schüler sein, es ist wichtig, noch eine Distanz zu wahren. Und dann ist der Altersunterschied inzwischen auch zu groß. Jede Generation wächst in ihrem eigenen Zeitgeist auf. Und sich da so ranzuschmeißen, kann nur peinlich werden. Ich bin aber auch nicht gern der Feldwebel. Da muss man immer einen Mittelweg finden, sich auf die jeweilige Klasse einstellen. Und Humor ist im Klassenzimmer wichtig, aber nie auf Kosten der Schüler.

Müssen sich Schüler von Lehrern alles gefallen lassen?

Parusel: Nein! Die Schüler sind unsere Schutzbefohlenen. Einige Kollegen schrecken zwar nicht davor zurück, Schüler auch mal hochzunehmen. Ich habe schon bei meiner ersten Anstellung an einer Mädchenschule gemerkt, dass jede Bemerkung etwa über das Styling sehr ernstgenommen wird. Darum spare ich mir jeglichen Kommentar, weil das unter Umständen verletzend sein könnte, und halte mich zurück.

Müssen sich Lehrer von Schülern alles gefallen lassen?

Parusel: Einige Schüler testen uns aus — dazu haben sie das Recht. Mittlerweile werden die Grenzen allerdings arg überstrapaziert.

Welche Möglichkeiten haben Lehrer, respektlosem Verhalten von Schülern zu begegnen?

Parusel: Nur sehr eingeschränkte. Dass es absolut tabu ist, eine Klasse einzuschließen, habe ich schon im Referendariat gelernt — schon allein aus feuertechnischen Gründen. Wenn Sie drei Störenfriede in der Klasse haben, können Sie allenfalls einen davon vor die Tür schicken. Mehrfach habe ich es erlebt, dass ein Schüler aus dem Unterricht gerannt ist. Dem kann ich aber nicht nachlaufen, weil ich die Klasse nicht allein lassen darf.

Was könnte man denn da ändern?

Parusel: Ich wünschte, bei uns wären Lehrkräfte immer zu zweit in einer Klasse, wie in den Niederlanden oder den skandinavischen Ländern. Das würde vieles vereinfachen.

Ziehen Eltern und Lehrer heute noch an einem Strang?

Parusel: Viel zu wenig. Die Resonanz auf Pflegschaftsabende ist zu gering, manche Eltern reagieren auch zu spät, sind schwer oder gar nicht zu erreichen. Und die Eltern, die sich von ihren Kindern um den kleinen Finger wickeln lassen, sind jene, die uns Lehrer gar nicht mehr anhören und vertrauen.

Am ersten Verhandlungstag erschien eine Gruppe ehemaliger Schülerinnen von der Mildred-Scheel-Realschule im Neusser Amtsgericht. Wussten Sie davon?

Parusel: Nein, davon war ich zutiefst angenehm überrascht, und das hat mich herzlich berührt. Die hatten das offenbar in der Zeitung gelesen — toll übrigens, dass sie Zeitung lesen — und haben sich dann für mich ins Zeug gelegt. Das fand ich sehr fair und nett. In dem Moment, wo man auf der Anklagebank Platz nimmt, ist das schon ein mulmiges Gefühl. Da tut so was gut.