Interview mit dem Willicher Wehrführer Thomas Metzer „Mehr Feuerwachen sind nicht das Allheilmittel“

Willich. · Interview Thomas Metzer wünscht sich mehr Verständnis von Arbeitgebern für die Einsätze „seiner“ Freiwilligen in Willich.

Thomas Metzer ist Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Willich. Er bemängelt fehlendes Verständnis bei einigen Arbeitgebern für den Einsatz der bei ihnen beschäftigten Wehrleute.

Foto: Marc Schütz

Trotz ihrer immerhin knapp 52 000 Einwohner hat die Stadt Willich keine Berufs-, sondern eine Freiwillige Feuerwehr. Das spart Geld, ist aber auch mit erheblichem Aufwand verbunden – und hier und da auch mit Problemen. Thomas Metzer, Wehrführer und Chef der Willicher Feuerwehr, über den Zustand der Gerätehäuser, Wertschätzung des Ehrenamts, die Einhaltung der Hilfsfristen und zunehmende Pöbeleien gegen Feuerwehrleute.

Viele Vereine und auch einige Feuerwehren klagen über massiven Mitgliedermangel. Wie sieht es in Willich aus?

Thomas Metzer: Es ist wichtig, Kinder und Jugendliche früh an die Feuerwehren heranzuführen. Daher präsentieren wir uns stark in der Öffentlichkeit und sind stolz auf unsere Jugendfeuerwehr, die 58 aktive Mitglieder hat, und sogar eine Warteliste. Leider können wir nicht alle Jugendlichen ab zwölf Jahren aufnehmen, weil uns dafür die Betreuer fehlen. Eine Kinderfeuerwehr für Mädchen und Jungen ab sechs Jahren ist übrigens in Gründung.

Und wie sieht es bei den
Erwachsenen aus?

Metzer: Mit circa 260 Feuerwehrleuten, darunter sechs Frauen, ist die Anzahl einerseits gut, gleichwohl kommt es immer wieder zu Problemen mit der Tagesverfügbarkeit: Viele unserer Mitglieder arbeiten auswärts und können tagsüber nicht zu Einsätzen kommen. Die gesetzlichen Mindestbesetzungen der Fahrzeuge einzuhalten, wird in allen fünf Löschzügen immer schwieriger.

Was tun Sie dagegen?

Metzer: Vertreter von Feuerwehr, Stadt und Politik haben sich zusammengesetzt und Lösungsansätze überlegt. Einer, der schon erste Erfolge gebracht hat, ist es, dafür zu sorgen, dass in der Willicher Stadtverwaltung möglichst viele Feuerwehrleute arbeiten. In jeder Stellenausschreibung steht inzwischen der Zusatz, dass eine Mitgliedschaft in der Wehr gewünscht wird. Bei gleicher Eignung werden Feuerwehrmitglieder bevorzugt, und Stellenausschreibungen der Verwaltung gehen erst an die Mitglieder der Feuerwehr, bevor sie veröffentlicht werden. Mittlerweile haben wir etwa 15 Personen, die in der Stadtverwaltung arbeiten und gleichzeitig Wehrleute sind.

Im Vergleich zur Gesamtzahl von 260 klingt das aber nicht viel.

Metzer: Doch, das hilft uns schon sehr weiter, denn so haben wir eine verlässliche Größe an Personal, auf das wir zurückgreifen können. Diese Mitarbeiter werden bei kleineren Einsätzen wie Türöffnungen oder Beseitigungen von Ölspuren zuerst alarmiert, sodass Wehrleute, die in der freien Wirtschaft arbeiten, nicht ihren Arbeitsplatz verlassen müssen. Nicht alle Arbeitgeber haben dafür Verständnis, auch wenn die Stadt Willich im Vergleich zu anderen Kommunen einen hohen Aufwendungsersatz an Arbeitgeber zahlt.

Ihre Mitglieder opfern
große Teile ihrer Freizeit für Übungen und Einsätze. Was tun Sie, um das zu
honorieren?

Metzer: Politik und Verwaltung haben erkannt, dass das ein wichtiges Thema ist. Daher gibt es seit einigen Jahren einige Maßnahmen, etwa Vergünstigungen im „De Bütt“, Zuschüsse fürs Fitnessstudio oder zum Führerschein, und in diesem Jahr erstmals ein großes Fest für unsere Mitglieder und deren Familien. Man muss auch die Familien mitnehmen, das ist leider noch nicht überall selbstverständlich.

Mitglieder zu gewinnen und zu halten, ist das Eine. Im Ernstfall müssen sie aber auch schnell zur Wache kommen können. Zu Stoßzeiten ist das in Alt-Willich aber nicht immer möglich.

Metzer: Das stimmt leider. Wir fordern seit Jahren eine zweite Zufahrt über die Parkstraße und den Reinershof und sind froh, dass der Bebauungsplan des neuen Baugebiets nach etlichen Verzögerungen bald endlich Rechtskraft hat und demnächst mit dem Bau einer zunächst provisorischen zweiten Zufahrt begonnen werden kann. Die zweite Zufahrt würde erhebliche Verbesserungen bringen, denn zu manchen Zeiten kostet uns der Stau im Kreisverkehr wertvolle zwei bis drei Minuten, je nachdem, wo sich die Einsatzstelle befindet. Dann können wir die geforderten acht Minuten vom Notruf bis zum Eintreffen, die Hilfsfrist, nicht einhalten, wenn wir erst durch den Kreisverkehr müssen.

Apropos Hilfsfristen: Wie die eingehalten werden sollen, steht im Brandschutzbedarfsplan der ist für die Stadt Willich in die Jahre gekommen. Was bedeutet das?

Metzer: In der Tat, wir haben keinen gültigen Brandschutzbedarfsplan, die Ausnahmegenehmigung durch die Bezirksregierung ist bereits ausgelaufen, aber wir arbeiten dran. Ein wichtiger Baustein ist das Personal, und da sind wir beispielsweise durch eben erwähnte Feuerwehrmitglieder, die in der Stadtverwaltung arbeiten, gut aufgestellt, was die Tagesverfügbarkeit angeht.

Willich ist die einzige Stadt dieser Größe in NRW, die „nur“ eine Freiwillige Feuerwehr hat, und das ist nur mit Ausnahmegenehmigung möglich. Wäre eine Berufsfeuerwehr nicht überfällig?

Metzer: Eine reine Berufsfeuerwehr wird es nicht geben, höchstens eine Freiwillige Feuerwehr mit einigen hauptamtlichen Kräften, wie in Viersen und Krefeld. Durch die Freiwillige Feuerwehr spart die Stadt Willich rund zwei Millionen Euro pro Jahr, denn ansonsten müssten wir an sieben Tagen pro Woche rund um die Uhr sechs Wehrleute bereithalten, bräuchten also 30 Stellen plus Führung. Daher werden wir versuchen, den jetzigen Zustand weiter beizubehalten, beispielsweise durch städtische Mitarbeiter, die für die Feuerwehr freigestellt sind, so wie es bereits bei unseren Gerätewarten der Fall ist.

Schafft die Willicher
Feuerwehr es denn, die Hilfsfristen einzuhalten?

Metzer: Der letzte Brandschutzbedarfsplan, der schon einige Jahre alt ist, besagt, dass wir in 88 Prozent der Einsätze binnen acht Minuten mit zehn Kräften am Einsatzort sind, und binnen zwölf Minuten mit sechs zusätzlichen Leuten. Das Willicher Stadtgebiet ist sehr langgezogen, sodass wir nicht überall binnen acht Minuten sein können. Daran würde übrigens auch eine Berufsfeuerwehr nichts ändern. 100-prozentige Sicherheit überall gibt es nicht, das muss man leider sagen.

Wären dann zusätzliche, kleine Wachen nicht
hilfreich?

Metzer: Das ist nicht das Allheilmittel. Irgendwo ein Feuerwehrfahrzeug in eine Halle zu stellen, wäre nicht das Problem. Aber dazu braucht es entsprechendes Personal. Was bringt also ein Fahrzeug im Gewerbegebiet Münchheide oder in Wekeln, wenn wir nicht genügend Feuerwehrleute haben, die im Ernstfall schnell dort sein können? Hinzu kommt: Die Feuerwehr muss so aufgestellt sein, dass sie zwei Einsatzereignisse gleichzeitig abarbeiten kann. Daher haben wir ja schon fünf Löschzüge.

Die Gerätehäuser in Clörath, Schiefbahn und Anrath wurden in den vergangenen Jahren erneuert. Wie sieht es mit Alt-Willich und
Neersen aus?

Metzer: Da sind wir Gott sei Dank auch endlich auf einem guten Weg: Neersen platzt aus allen Nähten, die Unterbringung ist inzwischen einfach schlecht. Für den Neubau an der Virmondstraße 115 werden bereits die Pläne gezeichnet. Dort soll es künftig vier Hallen plus Waschhalle und zwei Hallen für die Jugendfeuerwehr geben, dazu Schulungs- und Ausbildungsräume. Die Kinderfeuerwehr soll übrigens dann die jetzigen Räume der Jugendwehr in Clörath nutzen. Was Alt-Willich betrifft, bin ich zuversichtlich, dass mit den Arbeiten Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres begonnen wird und diese rund zwei Jahre später abgeschlossen sein werden. Derzeit haben wir hier sechs Hallen, wobei manche Fahrzeuge hintereinander stehen, was gar nicht zulässig ist. Künftig werden wir zehn Hallen plus eine Übungshalle haben, die wir allein schon aus Lärmschutzgründen brauchen, da wir manche Arbeiten nicht mehr unter freiem Himmel erledigen dürfen. Zudem wird es neue Funktionsräume geben.

Zum Schluss noch ein unangenehmes Thema: Bundesweit nehmen Angriffe und Pöbeleien gegen Einsatzkräfte zu. Nehmen Sie das auch in Willich wahr?

Metzer: Es ist mir zwar unerklärlich, wie es kommt, aber ja, das ist auch hier ein Thema. Es ist sogar schon vorgekommen, dass ein Bürger einen Feuerwehrmann aus dem Auto ziehen wollte. Ich weiß nicht, ob sich die Menschen vielleicht in ihrer Freiheit eingeschränkt fühlen, wenn die Feuerwehr eine Straße sperrt und sie einen Umweg fahren müssen. msc