Besonderes Projekt in St. Tönis Kinder gestalten Glas für Sternenkinder
Tönisvorst · Mit einem einmaligen Projekt will die Stadt Tönisvorst auf die Gedenkstätte für Sternenkinder aufmerksam machen. 20 Kinder gestalteten in der Glas-Creativ-Werkstatt Siebenlist Glasplatten mit Motiven für die Stelen, die die Gedenkstätte zieren werden.
„Kann man das noch mal wegmachen?“, möchte Marieke wissen und blickt fragend zu Bernd Siebenlist. Er wischt die schwarzen Augenumrandungen, die der Zehnjährigen zu dick geworden sind, von der Glasplatte weg. „Du brauchst nicht auf die Flasche zu drücken. Das kommt von ganz alleine heraus. Für die Augen reicht ein Punkt, und es gibt einen Trick“, sagt der Fachmann, greift selbst zur Kunststoffflasche und zeigt Marieke, wie mit einem Farbstrich und einem Bleistift gelungene Augenbraunen entstehen. Die junge Künstlerin macht sich konzentriert an die Arbeit: Sie malt die Konturen eines Engels. „Engel beschützen uns. Dieser Engel soll die Sternenkinder beschützen“, bemerkt Marieke.
Sie ist nicht die einzige, die im Veranstaltungsraum der Glas-Creativ-Werkstatt in das Bemalen von zehn Mal 15 Zentimeter großen Glasplatten vertieft ist. Es könnte ein ganz normaler Kinderkreativkurs sein, aber es ist etwas ganz Besonderes. Die 20 Kinder gestalten die Glasplatten nicht für sich selbst, sondern für so genannte Sternenkinder. Auf dem Friedhof in St. Tönis legt die Stadtverwaltung eine Gedenkstätte für diese Kinder an, die vor, während oder kurz nach der Geburt verstorben sind. „Im Team der Friedhofsverwaltung hatten wir die Idee, Kinder mit in die Gestaltung einer solchen Gedenkstätte miteinzubeziehen“, sagt Claudia Becker, Sachbearbeiterin der Friedhofsverwaltung. Schnell war klar, wie die Form der Mitgestaltung aussehen sollte. Für die beiden vorgesehenen, unterschiedlich hohen Stellen können Kinder Glasplatten mit ihren eigenen Motiven gestalten.
Bei Siebenlist fand nun der erste Gestaltungstag statt, für den sich direkt 20 Kinder angemeldet hatten. „Es ist ein sehr schönes Projekt, bei dem ein Tabuthema eine Gestalt annimmt. Eltern, die ein Kind so früh verlieren, wissen, dass sie gesehen werden“, sagt Meike Nemitz, deren Töchter zu den jungen Künstlern gehören.
Im Veranstaltungsraum entstehen die unterschiedlichsten Motive. Bei Daliah ist es ein Regenbogen geworden, über dem zwei Herzen schweben. „Ich glaube, alle Kinder finden Regenbogen mit ihren bunten Farben schön. Daher möchte ich den Sternenkindern einen Regenbogen mit auf den Weg geben“, sagt die Neunjährige. Felix hat mit den Farbglaspulver eine bunte Blume gemalt, aus der ein Kreuz hervorgeht. „An ein Grab bringt man Blumen“, erklärt der Elfjährige sein Motiv. Emma, Leonie und Isabel haben nicht lange überlegen müssen, welches Motiv es werden soll. Die neun- und siebenjährigen Mädchen haben sich für Herzen entschieden. Mit ihren zwei Jahren versteht Juliane zwar noch nicht, was es mit den Sternenkindern auf sich hat, aber ihr buntes Bild wirkt sehr tröstlich. Und wenn ihre ältere Schwester malt, dann möchte sie dies schließlich auch tun. Lutz hat sich für einen Engel entschieden. „Es ist ein Engel, der die Sternenkinder auf ihrem Weg zurück begleitet“, sagt der Elfjährige, der sich zusammen mit seiner Familie mit dem Thema auseinander gesetzt hat. Das große A von Amelie steht nicht für ihren Namen, sondern für Wort Angst. „Die Sternenkinder müssen keine Angst haben. Niemand muss das, egal in welcher Situation. Alles wird gut werden“, sagt die Zehnjährige.
Inzwischen sind die ersten Glasplatten zur Trocknung in den Backofen gewandert. „Sie bleiben zehn bis 20 Minuten im Ofen. Danach geht es bei 835 Grad weiter. Dann verschmilzt das Farbglaspulver mit dem Grundglas auf Ewigkeit“, sagt Siebenlist. Vorgesehen ist, die Stelen noch in diesem Jahr auf dem Feld 18 in Richtung der Friedrichstraße auf dem Friedhof zu montieren.