Willicher Stadtgeschichte Kunstaktion in Schiefbahn: Der Weg ins „Paradieschen“
Lore und Kurt Beyerlein stehen am Wochenende im Mittelpunkt einer Ausstellung in Schiefbahn. Das Künstlerehepaar hatte sich im Dritten Reich dorthin zurückgezogen.
Schiefbahn. Im Elternhaus von Bernd-Dieter Röhrscheid, Schillerstraße 13, ist am Wochenende eine ganz besondere Ausstellung zu sehen, die ein Stück Ortsgeschichte widerspiegelt: Im Mittelpunkt stehen Lore und Kurt Beyerlein. Er hat gemalt, sie Ballettunterricht erteilt. Als für sie im Berlin der frühen 1940er Jahre das politische Klima zu rau wurde, zogen sie nach Schiefbahn.
Im Eschert, unweit des „Märchenwaldes“, legten sie einen großen Nutzgarten an, hielten Tiere und nannten ihre Scholle „das Paradieschen“. Damals, als es in Schiefbahn gerade neun evangelische Einwohner gab, schlossen sie sich dem ökumenischen Kreis um Dr. Heinz und Elfriede Macke an.
Man ahnt es: Die Idylle sollte nicht lange anhalten. Am 24. Februar 1945 klopfte der Kleinenbroicher Parteibeauftragte an die Tür von Lore Beyerlein und überbrachte die Todesnachricht. Ihr Mann war vier Tage zuvor als Obergefreiter der Wehrmacht zwischen die Puffer zweier Lokomotiven in Osnabrück geraten. „Gott sei Dank die Beine, meine Arme und Hände brauche ich noch zum Malen“, hatte er kurz nach dem schrecklichen Unfall gesagt.
Dass seine Arbeiten mit der Machtergreifung der Nazis verpönt waren, sieht man jetzt auf den ersten Blick in der Ausstellung an der Schillerstraße: Das Signet, entworfen für den Berliner Rundfunk, ist „entartete Kunst“ in Reinkultur. Seine Frau im Liegestuhl, in der Schiefbahner Idylle, das ist ein politisch unverfängliches Motiv — dieses Bild ist ebenfalls in der Ausstellung zu sehen.
Erstaunlich: Das Angebot von Lore Beyerlein, in Schiefbahn Ballettunterricht zu geben, war auf große Resonanz gestoßen. „Ich habe mich mit Frauen getroffen, die dabei waren“, erzählt Christa Röhrscheid. Eine von ihnen, Marlene Goerissen von der Linsellesstraße, hat ihre Ballettschuhe als Exponate zur Verfügung gestellt. Bernd Dieter-Röhrscheid glaubt, dass, wäre nicht der Krieg dazwischen gekommen, Kurt Beyerlein das Zeug zu einem renommierten Künstler gehabt hätte. Zu seinem 50. Geburtstag im Jahre 1954 durfte er posthum im Mönchengladbacher Museum Abteiberg ausstellen. Und 1984 wurden Bilder von ihm in der renommierten Krefelder Galerie Fochem gezeigt.
Der Vertreter des Expressiven Realismus ist auch als Autor interessant. In seinem Buch „Von drei Reichen“ geht es um den Krieg, den der Künstler zutiefst verabscheut hat. Hier wurden Briefe veröffentlicht, die der „Künstler und Siedler“ an seine Frau geschickt hatte. Das Kasernenleben war wider seine Natur. Ein Briefwechsel zwischen den Eheleuten wurde unter dem Titel „Aus jenen Jahren“ abgedruckt. Beide beklagten „die so anders gewordene Zeit“. Der Arzt und Leiter des Schiefbahner Krankenhauses, Dr. Heinz Macke, und seine Frau, die Juristin Elfriede Macke, luden auch die Beyerleins zu ihren ökumenischen Gesprächen ein — und die kamen gern: „Mit Dr. Macke und seiner Frau kann man über alles reden“, hatte Lore Beyerlein aufgeschrieben. Man wird nicht nur über kirchliche Dinge gesprochen haben.
Auch ein anderer Arzt lebte die Ökumene in Schiefbahn: Dr. Ottfried Jantzen war evangelisch, seine Ehefrau, ebenfalls Ärztin, katholisch. Selbstverständlich war das zu der Zeit nicht. „Heute leitet Elke Jantzen, eine Schwiegertochter von Dr. Jantzen, den Ausschuss für Ökumene“, erklärt Christa Röhrscheid. Lore Beyerlein heiratete ein zweites Mal, sie hieß dann Lore Beyerlein-Stockburger. „Sie ist Mitte der 90er Jahre in Berlin in einem Altenheim gestorben. Genaueres konnten wir noch nicht in Erfahrung bringen“, sagt Bernd-Dieter Röhrscheid.