Anrather Kirchenmusiker mit neuem Werk Gedichte über Bilder dieser Welt

Schiefbahn · Der Autor und Kirchenmusiker Marcell Feldberg widmet in seinem Werk „Archiv der Bilder“ prägenden Gemälden, Postkarten und Fotografien poetische Texte.

Meist hat Marcell Feldberg sein rotes Notizbuch dabei, das er als sein „Nebenhirn“ bezeichnet.

Foto: Heribert Brinkmann

(brh) Der Schiefbahner Literat und Kirchenmusiker Marcell Feldberg hat sein Langzeitprojekt „Archiv der Bilder“ abgeschlossen. Seit über zehn Jahren lässt er sich von Bildern in Museen und Galerien, von Postkarten und Fotografien, aber auch eigenen Eindrücken auf Reisen zu lyrischen Texten inspirieren. Jetzt erschien im Stuttgarter Radius-Verlag der vierte Band: „Atlas und Arsenal“. Gemeint ist dabei das dialektische Themenpaar sichtbar und unsichtbar. Der aufgeblätterte Atlas macht sichtbar, im Arsenal bleibt vieles verborgen.

Wenn auch der Begriff Archiv auf manchen Leser abschreckend wirken mag, ist die Lektüre von „Atlas und Arsenal“ überaus anregend und gewinnbringend. Natürlich kann der Leser die Bilder googeln, wenn sie überhaupt angegeben sind, aber auch allein sind die Texte so bilderreich, dass das Kopfkino sofort anspringt. „Poesie liegt auf der Straße, man muss sie nur aufheben“, sagt Feldberg. Das gelte auch für poetische Orte. Man müsse nur hinfahren, im Verschlossensein öffneten sie sich.

Auf dem Friedhof von Venedig trifft er die Musen, die „die Unsterblichkeit der Seelen im Olivenhain der Poesie sorgsam hüten“. Oder auf den Spuren von Walter Benjamin entwirft Feldberg einen poetischen Plan des fünften Arrondissements in Paris. „Jenseits einer Logik reiner Erinnerung“ holt Feldberg Bilder ans Licht und legt sie in die „Schauvitrine der Gedanken“. In einer Pfarrkirche entdeckt der Dichter die „Echokammern der Seelen“, in der Bibliothek der Sephardischen Synagoge in Amsterdam pflückt er Lesefrüchte vom „Baum des Lebens“. Aber auch ganz in der Nähe, in der Kapelle Klein-Jerusalem in Neersen, findet er auf dem Boden einen versunkenen Stern.

Feldberg war mit der Wiener Dichterin Friederike Mayröcker befreundet. Sie starb im Juni 2021. Im neuen Buch widmet er ihr das Gedicht „Luftgeister auf heilloser Himmelfahrt“ nach dem Gemälde „Drei Engel auf Wolken“ von Tiepolo (1732) und notiert dort „die mäandernde Mitschrift des großen Taumelns“. Bei ihrem letzten Telefonat im Januar 2021 erzählte ihr Feldberg von seinem neu begonnenen Wörterbuch, das besonders ausgefallene Begriffe wie „Wegluft“ und „Schattenautomat“ festhält. Und Cees Nooteboom hat er das Gedicht „Atlas der Abschiede“ gewidmet.

Zu den Niederlanden hat Feldberg eine enge Beziehung. So hat er in Friesland das Friesische als eigenständige Sprache entdeckt und widmet ihr das „Lodboek Fryslân“. Auf die Fahrt nach Ameland nimmt er natürlich sein rotes Notizbuch mit, sein „Nebenhirn“, wie der Dichter selbst sagt. Im Anhang des Buches findet man „Resonanzen“, Text zur Musik. Da sind Kirchenmusiker und Literat vereint.