Neersen: Ein prächtiges Gewand, aber kein Geld für die Socken
Schloss-Sturm: Es dauerte eine Weile, bis die Willicher Narren das Bollwerk Schloss Neersen eingenommen hatten.
Neersen. "Wir sind zwar die Pharaonen, aber uns fehlen die Millionen." Das erklärte Bürgermeister Josef Heyes am Donnerstag unmittelbar nach der Erstürmung des Neersener Schlosses durch die Prinzengarde. Ein Beweis der Armut: Heyes ergab sich zwar in prächtigem Gewand, aber ohne Socken, und das bei gefühlten minus 12 Grad.
Es ist nicht alles Gold, was glänzt: Kämmerer Willy Kerbusch trat als mächtiger Ramses II. auf. Aber als sein prunkvolles Zepter zu Boden fiel, teilte es sich in zwei Stücke - eben Billigware in wirtschaftlich schweren Zeiten.
Es war ein buntes Völkchen, das da im Schloss der Erstürmung harrte: Die dunkelhaarige ägyptische Schönheit im Gestalt der Technischen Beigeordneten Martina Stall, hinter der tadellos gewachsenen Krankenschwester mit dem weißen Latex-Mini steckte Ratsherrin Ellen Roidl-Hock. Dagmar Zenses kam als mittelalterliches Burgfräulein. Der stellvertretende Bürgermeister Dieter Lambertz hatte sich für ein Melkerhemd entschieden.
Das Fanfarencorps "Schöpp op" aus Gladbach heizte dem vergleichsweise kleinen Grüppchen, das die Erstürmung miterlebte, mit flotten Klängen ein. Frieder Nöhles, Vorsitzender des Festausschusses Willicher Karneval, stachelte die Narren an, "den Herrschern im Schloss den Garaus zu machen".
Das Kinderprinzenpaar Kai Luca I. und Miriam I. mit den Ministern Caroline und Timo stellte einen umfangreichen Forderungskatalog vor: "Die Eltern sollen ihren Kindern über Karneval genügend Taschengeld geben", verlangte der Prinz. Außerdem erteilte er Lehrern bis Mittwoch Berufsverbot. Darüber hinaus warb der Prinz, bei den Umzügen in Anrath und Neersen mitzumachen - aktiv, oder aber als Zuschauer.
Dieter Jinkertz politisierte im Namen der Prinzengarde der Stadt Willich: Er beklagte, dass Vereine immer weniger unterstützt werden: "Damit muss nun Schluss sein." Außerdem wies er auf den schlechten Zustand des Rothwegs hin.
Dann begann die Mittelgarde, das Schlossportal mit dem Prellbock zu attackieren. Erst mit dem vierten Versuch öffnete sich die Tür, begleitet von Salutschüssen. Schon schlug Frieder Nöhles versöhnlichere Töne an: "Ein Super-Kostüm, damit können wir gleich im Wahlefeldsaal prima feiern", lobte er den Bürgermeister. Der bat, pfleglich mit dem Schloss umzugehen und ließ den Narren freie Hand: "Von mir aus könnt ihr den Rothweg zur Autobahn ausbauen." Anschließend wurde im wohlig warmen Wahlefeldsaal der Sieg über den Bürokratismus ausgiebig gefeiert.