Neersen: Vom eifrigen Pizzico und vom dicken Bo
Alles andere als zweite Wahl war am Dienstag das Kinderprogramm bei den Schlossfestspielen in Neersen.
Neersen. Sie waren vom ersten Augenblick an verzaubert. 120 Kindergartenkinder und ein Dutzend Erzieherinnen verfolgten am Dienstagvormittag im Schlosskeller gebannt, wie Matthias Träger seinen Karren auf die Bühne zog. Der blau gestrichene Bollerwagen ist Bühne und Band des Tearticolo Puppen-Theaters, das Geschichten vom großen Bo und dem kleinen Pizzico erzählen will.
Wenn Träger die Deichsel senkt, öffnet sich der rote, goldbestickte Samtvorhang. Der Blick wandert ins schwarze Nichts, von dem sich der schwarz gekleidete Träger wenig abhebt.
Der macht erst mal Musik. Mit Blockflöte, Trommel, Topf und Deckel, oben, über dem Vorhang der Bühne. Genau den Topf, der dem kleinen Pizzico als Bett diente, dem er schon wenig später entsteigt, um Frühstück zu machen. Wer will, kann verfolgen, wie Träger die Puppen bedient - die Kinder brauchen nicht die perfekte Illusion.
Ob sie eine Geschichte mögen, ist nur abhängig von der Qualität, mit der sie erzählt wird. Der kleine Pizzico ist ein Kleiner, Eifriger und der große Bo ein Dicker, Fauler. Was sie erleben, ist nahezu alltäglich. In der ersten Szene will Pizzico Frühstück für beide machen. Und Bo futtert ihm im Halbschlaf alle frischgebackenen Kringel unbemerkt weg. Da kreischen die Kinder vor Vergnügen und sind im nächsten Augenblick wieder andächtig still. Und das gelingt Träger über eine Stunde.
Dass der Mann ein echter Bühnenprofi ist, bemerkt man besonders in dem Augenblick, in dem auf der Bühne das Licht ausfällt. Kein Mensch kommt auf die Idee, dass es nicht zur Show gehört. "Der Strom ist hier lebendig", sagt er. "Kann der auch laufen?" fragt ein Kind. "Ja, und er kann auch wiederkommen", sagt Träger, als der Techniker die kleine Panne geregelt hat.
Das Tearticolo Theater ist eingesprungen, weil das ursprünglich engagierte Fingerhut-Theater "Viva la musica" aus gesundheitlichen Gründen ausgefallen war. "Ihn wollte ich schon lange mal haben", sagt Intendantin Astrid Jacob zum Ausweichprogramm, das alles andere als zweite Wahl ist. Schließlich nimmt sie ihre kleinen Zuschauer sehr ernst. So sorgt sie persönlich dafür, dass jeder einen Platz hat, an dem er alles sieht. boe