Tönisvorst „Nur Gewinnmaximierung zählt“
Der Zorn über die Entscheidung der Deutschen Post, den Vertrag mit der Agentur am Alten Markt in St. Tönis zu kündigen, ist groß.
Tönisvorst. Die Post-Agentur am Alten Markt in St. Tönis muss zum Jahresende schließen. Außerdem kann man ab Dezember in der Vorster Post-Agentur an der Süchtelner Straße nicht mehr seine Bankgeschäfte erledigen. Beides hat das ehemalige Staatsunternehmen gekündigt. „Wie finden Sie das?“ Das wollte die Westdeutsche Zeitung wissen und hatte das Team der Rollenden Redaktion nach St. Tönis geschickt, um die Kundschaft vor dem Geschäft zu fragen. Und die Menschen — St. Töniser sind bekannt dafür — ließen sich nicht lange bitten, eine stabile Meinung kundzutun.
„Müssen wir jetzt meilenweit fahren, um ein Paket abzugeben?“, fragt Norma Aster. Sie glaubt nicht, dass es eine neue Agentur geben wird. „Wer einmal schließt, will doch dicht machen“, sagt sie. Sie findet den Ort der jetzigen Filiale geradezu ideal, weil er so gut zu Fuß zu erreichen sei.
„Das geht doch nicht“, ärgert sich auch Francesco Discepoluo. „Wir brauchen das Geschäft hier“, sagt er. Er selbst kommt etwa zehnmal im Monat. Die Frage nach der Zukunft stellt auch Angelika Dammers. „Ich glaube nicht, dass es woanders eine Filiale geben wird.“ Sie erledigt ihre Postsachen dreimal die Woche am Alten Markt. „Wenn es in der Nähe einen neuen Laden geben sollte, wäre ja alles gut“, sagt Rebecca Riem, die im Auftrag ihrer Firma vor Ort ist.
Eine der wenigen Gegenstimmen ist Heinz Przbylski, Gastwirt im benachbarten „Zum Pan“. „Uns hat man Parkplatzfläche weggenommen. Wo wir früher Außengastronomie anbieten konnten, parkten auf einmal Autos.“ Gemeinsam mit seiner Frau kämpfte er auch juristisch und fand schließlich einen Kompromiss. Dass ihm die Post vor der Nase dennoch ein Dorn im Auge ist, daraus macht er keinen Hehl.
„Ich will, dass der Laden hier bleibt“, sagt Marie-Luise Meier. „Das ist ein Traum von einer Filiale. Eine bessere habe ich nicht erlebt und ich wohne seit 53 Jahren in St. Tönis.“ Immer wieder wird — neben dem guten Service — die Nähe der Filiale gelobt. Das sieht auch Nelli Trockmann so. „Das ist so praktisch für mich. Wenn ich was zu erledigen habe, geht das immer ganz zügig.“ Ins gleiche Horn stößt Margarete Nehmzow: „Meine Tochter arbeitet in einer Gärtnerei in Vorst und wenn die Filiale dort zu hat, war sie ebenfalls hier immer bestens aufgehoben.“
Ähnlich argumentiert Bärbel Esser. „Die gute fußläufige Erreichbarkeit muss man ja auch mal bedenken“, erklärt sie. Und die Hilfsbereitschaft des Personals sei toll. „Vielleicht ist die Schließung wegen der Schwierigkeiten mit dem Parkplatz“, spekuliert Robby Handoko. „Es hat ja wohl immer wieder Ärger gegeben.“
„Der Druck auf die Preise nimmt zu, ebenso auf die Löhne“, sagt Kurt Fruhen. „Es geht doch nur noch um Gewinnmaximierung. Die Zeche zahlt der Steuerzahler, aber erst sehr viel später.“ Und das, obwohl der Staat immer noch Anteile an der Post halte. Dass in Vorst die Postbank dicht mache, „ist das Letzte.“ Kritisch sieht er, dass die langjährige „Mutter“ der Postbank, die Deutsche Bank, Milliarden für Prozesse in Übersee zurückstelle, aber hinnehme, dass einfach Filialen schließen müssten.
„Unverschämt“, findet Lothar Beckers den Schritt der Deutschen Post. Er wisse, dass diese den Agenturen „unheimliche Auflagen“ mache. „Unmöglich“, findet auch Birgit Koenen den Schritt der Post. „Meine Sorge gilt den älteren Leuten“, sagt die Kommunalpolitikerin (FDP). Sie hofft inständig, dass die avisierte neue Agentur nicht am Real-Markt eröffnet. „Da fährt der Bürgerbus ja nicht hin.“ Genauso schlimm findet sie, dass die Postbank in Vorst schließt. „Das ist allerdings eine wirtschaftliche Entscheidung.“
„Wie können wir uns wehren, ich bin sofort dabei“, sagt Norbert Dohmen, der mit seiner Ehefrau Kornelia zu den WZ-Reportern gekommen ist. Seit 1985 wohnt das Ehepaar am Marienheim. Und der Ehemann legt nach: „Da werden altersgerechte Wohnungen gebaut, gibt es genügend Geschäfte im direkten Umkreis und die Post lässt uns hier hängen, eine miese und unmögliche Art.“
„Ich bin stinksauer, dass man uns jetzt hier die Post wegnehmen will“, empört sich die 79-jährige Margarete Nehmzow, die seit über 40 Jahren dort in der Nähe wohnt. Sie ist auch eine Postbank-Kundin, holt regelmäßig kleinere Beträge ab und ergänzt: „Schon meine Eltern waren Postkunden und damit immer zufrieden gewesen.“ Jetzt müsse man darüber nachdenken, zur Bank oder Sparkasse zu wechseln, dies sagten auch andere Befragte.
Von einem „Trauerspiel“ spricht der gehbehinderte Peter van de Rieth: „Sollen wir jetzt nach Forstwald oder nach Krefeld reinfahren, um ein Paket oder ein Einschreiben abzuholen, das ist doch ein Unding.“ „Ich gehe mal davon aus, dass bald irgendwo anders die Filiale hinkommt, denn nach Krefeld fahre ich nicht“, sagt Monika Meyer.
„Das ist doch schon längst in trockenen Tüchern, dass es an anderer Stelle ab Januar einen neuen Shop gibt“, mutmaßt der 79-jährige Hans-Reiner Röskes. Hier sei, so der Ur-St. Töniser, der Service immer sehr gut gewesen. Und Röskes appelliert an den neuen Betreiber: „Er wäre sehr gut beraten, wenn er das Personal vom Alten Markt übernehmen würde.“ Und außerdem müssten am neuen Standort ausreichend Parkplätze sein. Dies wünscht sich auch Günter Stammes, der die beabsichtigte Schließung kurz und knapp als „sehr bedauerlich“ bezeichnet.
Etwas abseits unterhalten sich zwei Frauen. „Klar, braucht St. Tönis eine Post“, meinen übereinstimmend Maria Niesyto und Klaudia Planeta. Sie sprechen auch darüber, dass es zu bestimmten Stoßzeiten sehr schwierig sei, dort einen Parkplatz zu bekommen. „Das müsste dann viel besser als bisher geregelt werden“, meint Maria Niesyto.
„Wer denkt eigentlich dabei an uns Ältere?“, fragt Elisabeth Wüstehube (83), die in der Nähe wohnt und vieles noch selbst erledigen kann. Auch sie will dagegen angehen: „Man müsste Unterschriften für den Erhalt dieses Standorts sammeln.“
Auch machen Gerüchte die Runde, wo sich eine neue Postfiliale niederlassen könnte. „Nicht schlecht wären die Räumlichkeiten in der ehemaligen St. Töniser Buchhandlung an der Hochstraße“, meinte ein etwa 60-Jähriger Passant. Derweil lässt sich drinnen vom Protest der 23-jährige Tom Schmidt, Sohn des Betreibers Siegfried Schmidt, nicht sonderlich beeindrucken und arbeitet ruhig weiter. Er ist gelernter Kaufmann für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen und kommentiert: „Das ist alles sehr schade, wie das gelaufen ist.“ „Bei der Post zählen nicht Menschen, sondern nur die Wirtschaftlichkeit und der Profit“, monieren andere Kunden.
Selbst ein Zusteller, der zufällig dort vorbeikommt, stimmt dem zu: „Heute ist es eine Postfiliale, die schließt, und morgen vielleicht mein Arbeitsplatz, der wegrationalisiert wird.“ Gisela Vootz-Bens fast die Meinung vieler zusammen: „Die Filiale muss hier am Standort bleiben, basta!“