Haushaltsdebatte Ein ziemlich gestörtes Klima 

Tönisvorst · Der Tönisvorster Rat verabschiedete den Haushalt für das laufende Jahr – die Debatte dazu zeigte die politischen Dissonanzen.

Im Tönisvorster Rat verabschiedete die Politik den Haushalt für das Jahr 2022.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

Der Rat der Stadt hat am Mittwochabend den Haushalt für das laufende Jahr einstimmig verabschiedet, nachdem einige Veränderungsanträge seitens der Grünen, der CDU und von CDU/FDP ausdiskutiert und verabschiedet wurden.

Der Haushalt beträgt ein Volumen von insgesamt gut 74,6 Millionen Euro Einnahmen und 78,64 Millionen Euro Ausgaben. Einen Löwenanteil nehmen dabei gut 800 000 Euro für die Unterstützung ukrainischer Flüchtlinge ein. Bürgermeister Uwe Leuchtenberg rechnet damit, dass die Summe noch höher liegen wird. „Wir treten in Vorleistung und erwarten, dass wir das wiederbekommen“, sagte Leuchtenberg.

Daneben wurden unter anderem die Ausstattung von Schulen und Freizeitzentrum mit Menstruations-Automaten, die Finanzierung von Wartehäuschen (40 000 Euro)  vorrangig am HPZ und 75 000 Euro für die Anschaffung von I-Pads an den Schulen beschlossen. „Der Haushalt ist auch nach den Änderungen genehmigungsfähig“, unterstrich Kämmerin Nicole Waßen. 

Vor der Debatte referierte Stadtplaner Jörg Friedenberg nochmal zur Resonanz auf die Campus-Workshops. Während alle eingeladenen Schüler und Lehrer von Rupert-Neudeck-Gesamtschule und Michael-Ende-Gymnasium bei ihren Workshops dabei waren, auch fast alle Elternpflegschaften, zeigte sich im Bereich Kultur (4 von 12 Eingeladenen), den Kita-Eltern (7 von 25), im Bereich Sportvereine (3 von 8) und insbesondere beim Bürgerinnen-Workshop eine eher bescheidene Resonanz. Dort kamen lediglich 21 von 400 Menschen inklusive Nachrücker zur Diskussion. Die „graphic recordings“ der Workshops sollen in den Schulen, den Räumen von Sparkassen und Volksbank und auch in den Geschäftsstellen der Parteien dargestellt werden, wo das geht.

In der Haushaltsdebatte machten SPD, Grüne und UWG deutlich, dass sie angesichts der Pandemie und des Krieges in der Ukraine aktuell keine oder keine weiteren Ergänzungsanträge zum Haushalt stellen wollten. „Die Haushaltsberatung kommt zur Unzeit“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Horst. Man dränge auf die „Umsetzung aktueller Projekte“, sagte Britta Rohr (Grüne). Der Haushalt sei genehmigungsfähig, wenn nötig, könne man noch nachsteuern, appellierte Fred Schwirtz (UWG): „Jetzt heißt es zusammenstehen und nicht kleinkariert streiten.“

Die CDU nutzte die Debatte zu einem Rundumschlag: CDU-Fraktionschefin Anja Lambertz kritisierte die Gesprächskultur im Rat nach der Kommunalwahl. Der politische Beratungsprozess sei in Tönisvorst „fast zum Erliegen“ gekommen, viele Sitzungen abgesagt und regelmäßig „ein Ende der Debatte gefordert und beschlossen“. Es gebe „nur noch eine Meinung, die richtig ist, und das nimmt auch die Bürgerschaft so wahr“. Man werde persönlich, versuche, mit dem Staatsschutz als Drohkulisse einzuschüchtern. Der Bürgermeister verletze sein Neutralitätsgebot, stimme bei Anträgen zum Debattenende, die von seinen „Steigbügelhaltern“ kämen, gerne mit. Und er stimme „sogar gegen die Vorstellung des Bürgerbegehrens“ zum Campus.

Lambertz erneuerte die Kritik am Campus. Das Projekt sei „an den Bürgern vorbei geplant“, Leuchtenberg nehme die Bürger im Sinne von „Widerstand ist zwecklos“ mit,  die beschlossene Wirtschaftlichkeits- und Machbarkeitsbetrachtung“ reiche nicht aus, die Verwaltung habe  knapp eine halbe Million für „Betrachtungen“ und „Workshops“  zur Bestätigung der eigenen Meinung ausgegeben. Der Eindruck bestehe, „dass an allem gespart werde, damit der Campus sichergestellt ist“. Ihr Appell: „Hören Sie auf, in ein Mausoleum zu investieren.“

Kämmerin Nicole Waaßen werde ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Aufgabe dem Stadtrat einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, nicht gerecht, so Lambertz. Tönisvorst sei die einzige Kommune kreisweit ohne Ausgleichsrücklage und müsse auf die Rücklagen zurückgreifen.  Und im gleichen Moment präsentiere sie eine „Vision“ Campus, die zuerst 140 Millionen und dann „nur noch“ 119 Millionen kosten soll. „Das glaubt Ihnen kein Mensch hier im Ort und niemand über unsere Stadtgrenzen hinaus.“

Die Schwerpunkte des Haushalts – Umwelt, Klima und Stadtentwicklungskonzept – hätten zur Folge, dass andere Projekte hintenangestellt würden.  Die CDU halte an einer Erweiterung und dem Neubau der Vorster Feuerwache, der Sanierung der Minigolf-Anlage am Pastorswall fest. Für die 1,1 Millionen Euro die für das Stadtentwicklungskonzept vorgesehen seien, brauche es einen Sperrvermerk. Der wurde später abgelehnt.

Michael Horst (SPD) warf seinerseits der CDU „fehlende Dialogbereitschaft“ und eine Strategie, „nur Steine in den Weg zu werfen“, vor. Sie führe durch unendliche Redebeiträge die Debatten ad absurdum, betrachte nur ihre Realität als Wahrheit. „Sie verlangen Respekt und werfen Dreck auf andere.“ Er sprach von „billigen Angriffen auf den Bürgermeister und die Mitarbeiter der Verwaltung“, bezichtigte Lambertz der „Lüge“.  Die CDU sei für jahrelanges Missmanagement in der Stadt verantwortlich gewesen. 

Britta Rohr (Grüne) sprach von „oberlehrerhafter Zurückweisung“ und gegenseitigen Provokationen“. Ausschüsse und Ratssitzungen seien „keine Show-Veranstaltung“, sagte sie. „Der Stil motiviert nicht zur Teilnahme an lokaler Politik.“  

Die Preissteigerungen und die einhergehende Inflation könnten das Projekt Campus und den Haushalt „über Gebühr strapazieren“, verwies der FDP-Fraktionsvorsitzende Torsten Frick auf mögliche wirtschaftliche Grenzen, sagte aber auch: „Wir waren und sind nicht gegen das Projekt.“  Es mache für die öffentliche Hand jetzt Sinn, „Geld langfristig zu sichern“. Positiv fand er, dass im Haushalt eine ganze Stelle für die Digitalisierung vorgesehen sei.