„Präzisions-Farming“: Ein High-Tech-Dino in Willich

Die WZ begleitet Theo und Thomas Heyes durch das Jahr. Diesmal hat sie ihnen beim Pflanzenschutz zugesehen.

Foto: Kurt Lübke

Willich. 33 Meter Spannweite. Ausgezeichneter Orientierungssinn. Gerne nachts aktiv. Nein, an dieser Stelle ist nicht die Rede von einem ausgestorbenen Flugsaurier, sondern von einem sehr lebendigen Helfer in der Landwirtschaft. Ohne ein modernes Pflanzenschutzgerät könnten Bauern wie Theo und Thomas Heyes ihren auf Kartoffeln und Rüben spezialisierten Betrieb heutzutage kaum mehr bewirtschaften. „Präzisions-Farming“ nennt sich das Ganze im schönsten Denglisch.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

Mit der „Giftspitze“, wie sie manche Kleingärtner bedenkenlos im heimischen Gemüsebeet verwenden, hat das Gerät tatsächlich nichts gemein. 6000 Liter Flüssigkeit fasst sein Tank, hinzu kommen 500 Liter in einem separaten Frischwasserbehälter, der nach Gebrauch zur Hochdruck-Spülung und -Reinigung verwendet wird. An der Seite ist in bequemer Höhe eine Einspülschleuse montiert, dort füllt Thomas Heyes das jeweils benötigte Mittel gegen Schädlinge oder Krankheiten ein.

Dessen Konzentration ist teilweise verblüffend gering. „Zum Beispiel 20 Gramm pro Hektar bei Rüben“, erzählt Heyes Junior, der einen Sachkundenachweis für Pflanzenschutz vorweisen kann und sich alle fünf Jahre fortbilden muss. Nur durch eine gute Ausbildung, viel Erfahrung und — falls notwendig — eine Beratung durch Spezialisten wisse der Landwirt, in welcher Konzentration er die Spritzmittel verwenden dürfe. „Je weniger, desto besser. Eine Überdosierung schadet nur“, betont Vater Theo Heyes.

Dabei hilft die GPS-Technik, mit der das Gerät ausgestattet ist. Diese merkt sich via Satellit ganz genau, welcher Bereich eines Feldes schon gespritzt wurde. Fährt man den gleichen Bereich ganz oder teilweise noch einmal an, schalten sich die 50 Zentimeter auseinander liegenden Spritzdüsen in den ausgefahrenen Gestänge-Armen über den betroffenen Pflanzen automatisch ab. „Kein Quadratmeter wird doppelt gespritzt“, versichert Theo Heyes. „Präzisions-Farming“ eben.

Besonders empfindlich seien die Rüben, bei der man mit besonders geringen Konzentrationen arbeite, so Theo Heyes. Dreimal werden sie gespritzt, gegen jedes Unkraut wird ein anderes Mittel verwendet.

Regelmäßig wiederholt werden müsse zurzeit die Behandlung der Kartoffeln. Denn die sind besonders anfällig gegen die Kraut- und Knollenfäule (Phytophthora infestans). Hat diese die Pflanze einmal erwischt, sei sie nicht mehr zu retten. „Das hat im 19. Jahrhundert zu einer großen Hungersnot in Irland geführt“, blickt der Willicher Ortslandwirt zurück. Gerade im Moment, wo durch das schwere Pfingst-Gewitter viele Blattstängel der Pflanzen abgeknickt und deshalb anfällig seien, müsse man besonders aufpassen.

Ob Knollenfäule, Mehltau oder Läuse — die Industrie stellt den Landwirten fast immer die passenden Gegenmittel bereit. Um Resistenzen zu vermeiden, müsse man diese regelmäßig wechseln, berichtet Theo Heyes.

Ein Windmesser und eine Fahne auf dem Pflanzenschutzgerät verraten dem Landwirt, ob er überhaupt die Düsen einschalten darf. Denn auf benachbarte Felder, auf denen zum Beispiel Salat steht, dürfen die Herbizide oder Fungizide nicht geblasen werden. Auch die Durchflussmengen werden automatisch gemessen und auf den Wind abgestellt.

Dass die Bauern mit den Geräten oft im Dunkeln unterwegs sind, hat übrigens nichts mit Heimlichkeit zu tun: Die Temperaturen dürfen laut Theo Heyes beim Einsatz der Chemie nicht zu hoch sein, daher wird nachts gespritzt. Außerdem herrscht dann häufig weniger Wind. Er und sein Sohn Thomas können aber selbst noch um Mitternacht erkennen, ob alle Düsen einwandfrei arbeiten: Der High-Tech-Dinosaurier für den Landwirt verfügt selbstverständlich auch über eine LED-Beleuchtung.