Gedenken in Schiefbahn Würdiges Gedenken an die Reichspogromnacht in Willich

Schiefbahn · Schüler des St.-Bernhard-Gymnasiums, das Stadtarchiv und die Geschichts- und Heimatfreunde hatten die Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht organisiert.

Koffer symbolisierten die schreckliche Reise der Juden in die Konzentrationslager. 

Foto: Norbert Prümen

(evs) Die Koffer sind Zeichen für Vertreibung und Vernichtung. Darauf steht „Riga“ oder „Auschwitz“. Kofferanhänger tragen die Namen der dort ermordeten Willicher Juden. Das Gedenken an die Reichspogromnacht im November 1938 hatte die Bildungskooperation von St.-Bernhard-Gymnasium, Willicher Stadtarchiv und dem Verein der Heimat- und Geschichtsfreunde Schiefbahn mit einem umfangreichen Programm organisiert.

An der Gedenktafel für die am 9./10. November 1938 niedergebrannte Synagoge im „Tömp“ in Schiefbahn wurden Lichter niedergelegt. Die Musik zu „Schindlers Liste“ erklang. Die „Mahnkoffer“ wurden von Schülern des Gymnasiums aufgenommen und beim Lichterzug bis zum Forum des Gymnasiums getragen. Dort wurden sie vor dem zentralen Mahnmal für die ermordeten Willicher Juden abgestellt.

Teelichter und Kerzen spiegelten sich in der rund drei Meter hohen Edelstahlskulptur des Künstlers Horst Meister. Sie wurde im Jahr 2000 an der Backsteinwand des Schulgebäudes installiert und hat die Form eines der Länge nach zerborstenen jüdischen Grabsteins. Eingraviert sind die Namen aller ermordeten 38 Juden aus den vier Stadtteilen Willichs.

Oft mehrere Generationen
einer Familie ausgelöscht

Immer wieder dieselben Nachnamen: Oft wurden mehrere Generationen einer Familie ausgelöscht. Von ihnen und ihren Nachfahren berichteten Schüler der Oberstufe in mehreren Lesungen. Gemeinsam mit Lehrerin Imka Schultz hatten sie die Texte zusammengestellt. Sie zitierten aus Briefen und Interviews, die bei einer umfangreichen Recherche ab 1988 mit den in aller Welt lebenden Zeitzeugen und deren Nachkommen zusammengetragen wurden, die unter anderem in den Niederlanden, England, Israel, den USA und Argentinien leben. Sie berichten von zunehmender Entfremdung: „Meine beste Freundin war auf einmal bange, mit mir zu sprechen.“ Von Schul- und Berufsverboten, Schikanen, bis hin zu Plünderungen und Deportationen. Mithilfe von Kindertransporten nach England konnten einige gerettet werden. So hatte eine Mutter ihr Kind bis an die niederländische Grenze gebracht. „Ich wusste, dass ich sie nie mehr wiedersehen würde“, sagt einer der Überlebenden.

Anschließend wurden die Namen aller 38 ermordeten Menschen verlesen. An die Backsteinwand neben dem Mahnmal wurden dazu ihre Fotos projiziert. Wo kein Foto mehr vorhanden war, hat man einen Scherenschnitt gefertigt. „Worte gegen das Vergessen“ sprachen anschließend der evangelische Pfarrer Joachim Schuler und der katholische Pfarrer Markus Poltermann. Der erinnerte an die in den katholischen Karfreitagsgottesdiensten gelesenen Passagen aus dem Johannesevangelium, in denen „die Juden“ bis heute unkommentiert als „Gottesmörder“ dargestellt würden. Und an wieder aufkommenden Hass und Fremdenfeindlichkeit. „Es ist mitten unter uns lebendig“, mahnte er.

Der Dank von Bürgermeister Christian Pakusch (CDU) ging ausdrücklich an die Organisatoren Bernd-Dieter Röhrscheid von der Bildungskooperation und an Stadtarchivar Udo Holzenthal. Musikalisch gestaltet wurde die Veranstaltung mit melancholischer Klezmermusik von Jürgen Löscher von der Kreismusikschule Viersen.