Veranstaltung zur Reichspogromnacht Erinnerung an das Schicksal der jüdischen Mitbürger

Schiefbahn · Im Herbst 1941 begannen die ersten Deportationen der jüdischen Bevölkerung im Rheinland. Auch die Altgemeinden der heutigen Stadt Willich waren davon betroffen. Daran erinnern die Heimat- und Geschichtsfreunde.

An der Schulstraße in Schiefbahn erinnern Stolpersteine an die Familie Kaufmann.

Foto: Bernd-Dieter Röhrscheid

(msc) Die Heimat- und Geschichtsfreunde Willich möchten „Gegen das Vergessen“ aus Anlass der 80-jährigen Wiederkehr an die erste Deportation jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger aus der Altgemeinde Schiefbahn nach Litzmannstadt (Lodz) erinnern. Zudem machen sie auf eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem St.-Bernhard-Gymnasium und dem Stadtarchiv am 9. November aufmerksam.

Im Herbst 1941 begannen die ersten Deportationen der jüdischen Bevölkerung im Rheinland. Auch die Altgemeinden der heutigen Stadt Willich waren davon betroffen. So wurde am 26./27. Oktober 1941 von Schiefbahn aus über Düsseldorf die gesamte Familie Kaufmann ins Ghetto Litzmannstadt (Lodz) deportiert. „1003 Namen sind in den erhalten gebliebenen Deportationslisten der Nationalsozialisten aufgeführt. Darunter auch die der Schiefbahner Familie“, so Bernd-Dieter Röhrscheid von den Heimat- und Geschichtsfreunden.

Im völlig überfüllten
Zug ins Ghetto gebracht

Am 26. Oktober 1945 um 13 Uhr musste sich Siegmund (Sally) Kaufmann mit seiner Frau Josefine, geborene Kamp, und den vier Kindern Thekla, Elisabeth, Ernst, Friedrich (Fritz) und dem erst vier Jahre alten Enkel Herbert Philipp auf dem Hof des Rathauses einfinden. Der Gendarmerie-Meister Schumann hakte jede Person akribisch ab und notierte, dass 100 Reichsmark je Person als Transportkosten bezahlt wurden, die er an die Gestapo zu übergeben hatte. Von dort aus wurde die Familie mit einem Lastkraftwagen zum Eilgutschuppen des Hauptbahnhofs im heutigen Mönchengladbach gekarrt. Von Düsseldorf wurden sie am nächsten Tag mit einem völlig überfüllten Zug nach Litzmannstadt ins Ghetto gebracht. Dort musste die Familie mit 66 Menschen in der Kollektivunterkunft Fischstraße 21 leben. „Im Ghetto herrschen chaotische und menschenverachtende Umstände“, beschreibt Röhrscheid die damaligen Zustände. Siegmund Kaufmann starb schon am 13. Juli mit 64 Jahren unter ungeklärten Umständen im Ghetto. Als die Kinder aus dem Ghetto ausgesiedelt werden sollten, stellte sich seine Mutter Thekla, der klar war, was das bedeutete, am 9. September zu ihrem Sohn. Beide wurden gemeinsam am nächsten Tag im Vernichtungslager Chelmno (Kulmhof) in Lastwagen vergast. Josefine Kaufmann wurde mit den Kindern Elisabeth und Ernst im September 1942 ebenfalls ins Vernichtungslager nach Chelmno gebracht und dort ermordet. Nur der Jüngste, Fritz Kaufmann, überlebte die Vernichtung. Er kehrte 1945 nach Schiefbahn zurück, wanderte aber 1950 mit seiner Frau Mina und Tochter in die USA aus. Er hat seinen Geburtsort in Schiefbahn 1975 noch einmal besucht. Er starb im September 1997 in Las Vegas/Nevada.

Zur Erinnerung der Reichspogromnacht veranstaltet die Bildungskooperation aus St.-Bernhard-Gymnasium, Stadtarchiv und den Heimat- und Geschichtsfreunde am Dienstag, 9. November, um 17 Uhr ab der Gedenktafel im Tömp in Schiefbahn einen Lichterzug mit gedeckelten Lichtern zum zentralen Mahnmal. Anschließend – um 18 Uhr — beginnt vor dem zentralen Mahnmal im St.-Bernhard-Gymnasium eine Veranstaltung „Gegen das Vergessen“, die von Schülern und Lehrern des Gymnasiums organisiert wird.

(msc)