„So leiht mir nun ein Ohr“

Manieren des Mittelalters lernen Anrather Schüler kennen. Am Mittwoch ging’s um Tanz und Speisen.

Anrath. Durch ein kurzes Klatschen mit den Händen macht Jirka Bükow die 26 Grundschüler der 3b der Albert-Schweitzer-Schule auf sich aufmerksam.

Alle Augen richten sich auf den jungen Mann mit den Schnabelschuhen und dem spätmittelalterlichen Gewand samt Barett auf dem Kopf. „So leiht mir ein Ohr. Wir haben miteinander gespeist und nun wollen wir miteinander tanzen“, erklärt er den aufmerksamen Schülern.

Es ist mucksmäuschenstill geworden. Selbst als Bükow die Kinder auffordert, einen Kreis um ihn herum zu bilden, geschieht dies mit bemerkenswerter Stille. „Ihr lernt jetzt den ältesten Tanz überhaupt kennen, einen Branle“, so macht Tanzmeister Bükow neugierig.

Doch zunächst sollen sich die Mädchen zwischen die Jungen stellen. Dann folgen die ersten, einfachen Schritte, wobei der Tanzmeister betont, dass nicht gegangen, sondern geschritten wird. Den feinen Unterschied macht er direkt vor — und 52 kleine Füße folgen ihm.

Auf den Gesichtern der Kinder spiegelt sich höchste Konzentration, als Bükow als Nächstes die richtige Handhaltung der Herren den Damen gegenüber zeigt und vormacht, dass man auch leise springen kann. Mittelalter pur hat in der Anrather Grundschule Einzug gehalten.

Zum ersten Mal nutzt eine der Willicher Grundschulen das Angebot „Höfische Benimm- und Manierkunde“ des Viersener Präventionsbüros. „Dieses Angebot ist in Zusammenarbeit von Historikern und Gewaltpräventionsberatern vor etlichen Jahren entwickelt worden.

Seit dem Jahr 2000 bieten wir es in Grundschulen an“, berichtet Bükow. Das Mittelalter ist dabei keine willkürlich genommene Zeit, sondern vielmehr wurde schon damals ein Einstieg in die Gewaltprävention vorgenommen. Das belegen historisch Quellen.

Zivilcourage wurde damals gefordert und gefördert, es gab die höfische und höfliche Erziehung am königlichem Hof und die Menschen wurden angehalten, die Hand zur Hilfe zu reichen. Wertvolle Elemente, die von den Entwicklern des aktuellen Angebots präventionsvorbeugend genutzt werden.

„Ich bin zufällig auf das Angebot gestoßen und war begeistert“, sagt Klassenlehrerin Cornelia Falk, die das Projekt mit Hilfe des Fördervereins und der Eltern an die Schule holte. Ihr war es wichtig, noch mehr Harmonie in die Klasse zu bringen, die sie mit Beginn des dritten Schuljahres übernommen hatte. Und das klappt.

Mit den Einblicken in höfisches und höfliches Benehmen, körperlicher Schulung und Haltung sowie dem gemeinsamen Essen und Tanz ist „der Umgang in der Klasse miteinander rücksichtsvoller geworden. Die Kinder geben mehr aufeinander acht“, erzählt Falk. Und das Ganze macht ihnen offenkundig Spaß: „Das ist klasse“, sagt Niclas (9).

Man lerne viel über das Mittelalter und es mache Freude, genauso höflich zu sein, wie die Leute damals. Das finden auch die beiden achtjährigen Klassenkameraden Pascal und Anna-Sophia. Sie freuen sich schon jetzt auf Freitag, denn dann gibt es den vierten Teil der Mittelalter-Aktion.