Sommergespräch Endet die schwarz-grüne Partnerschaft?

Willich · In Willich sind CDU und Grüne eine strategische Zusammenarbeit eingegangen. Mit der Ankündigung, einen eigenen Kandidaten für das Bürgermeisteramt zu stellen, haben die Grünen ihren Partner vergräntzt. Nun steht die Frage im Raum, ob die Partnerschaft mit der Kommunalwahl endet. Beide Parteien haben gemeinsame, aber auch konträre Ziele für 2020. Ein Streitfall: Münchheide V und VI.

Klimaschutz ist in, auch in Willich gab es bereits zwei „Fridays for Future“-Demos. Davon profitieren auch die Willicher Grünen.

Foto: Wolfgang Kaiser

Mit ihrer Ankündigung, bei den Kommunalwahlen im September 2020 einen eigenen Bürgermeisterkandidaten für Willich aufstellen zu wollen, haben die Grünen ihren strategischen Partner, die CDU, mindestens überrascht (zu hören ist auch von Verärgerung). Aber: Wenn nicht jetzt, wann dann? Der Erfolg der Grünen bei den Europawahlen und die stärkere Wahrnehmung ökologischer Themen in der Bevölkerung haben auch den Willicher Grünen Auftrieb gegeben. „Wir haben in Willich so viele Mitglieder wie nie. Vor einem Jahr waren es noch 20, jetzt sind es 31. Hinzu kommen Sympathisanten und Interessenten, die nicht Mitglied sind“, sagt Raimund Berg, Vorsitzender der Grünen-Fraktion im Stadtrat.

Raimund Berg

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Willich soll unbedingt klimaneutral werden

Merlin Praetor

Foto: Grüne

Angesprochen auf die Ende 2017 verkündete strategische Zusammenarbeit mit der Willicher CDU, betonen Berg und Grünen-Parteichef Merlin Praetor, dass diese durchaus Erfolge für die Stadt gebracht habe – so seien die Strukturen der Verwaltung modernisiert worden, und es sei den Grünen gelungen, ihre Vorstellungen bei der Neubesetzung der Stelle des Technischen Beigeordneten mit dem Stadtplaner Gregor Nachtwey als Nachfolger der Architektin Martina Stall einzubringen. Zudem sei der Haushalt 2019 so „öko-sozial“ wie nie zuvor, sagt Praetor. Ob die Zusammenarbeit allerdings auch in der nächsten Wahlperiode Bestand haben wird, ist fraglich. Denn die Grünen haben nach jetzigem Stand nicht unrealistische Chancen, zumindest zweitstärkste Kraft in Willich zu werden. Allerdings wolle man die Wahlerfolge „in Dankbarkeit und Demut hinnehmen“, sagt Berg, man müsse den Bürgern grüne Themen nun aber weiterhin anbieten und erklären und sich dabei nicht anbiedern oder Dinge versprechen, die man nicht halten könne, ergänzt Praetor.

Für den Parkplatz an der Raiffeisenstraße in Anrath ist ein Supermarkt angedacht. Die Grünen wollen verhindern, dass er in Konkurrenz zu bestehenden Geschäften tritt.

Foto: Wolfgang Kaiser

Aufbauen möchten die Willicher Grünen nun darauf, dass in der letzten Stadtratssitzung vor der Sommerpause die über dreieinhalb Jahre erarbeiteten Ziele und Maßnahmen für das Projekt Global Nachhaltige Kommune einstimmig beschlossen wurden.

Die Willicher Straße in Schiefbahn soll erneuert werden. Die jetzigen Planungen dazu seien allerdings völlig verfehlt, sagen die Grünen.

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Die Stadt hat sich dadurch selbst verpflichtet, die 17 von den Vereinten Nationen erarbeiteten globalen Ziele bis 2030 zu erfüllen – beispielsweise Gleichberechtigung, Inklusion, die Bekämpfung von Armut sowie Umwelt- und Klimavorgaben. Die Maßnahmen für Willich beinhalten etwa, dass bezahlbare Alternativen zum Einfamilienhaus geschaffen werden, ein Konzept zum Schutz der Artenvielfalt sowie die Einführung eines rollenden Supermarkts und eines Nachhaltigkeitspreises an Schulen. Das umfassendste Ziel allerdings: Bis 2030 soll die Stadt Willich vollkommen klimaneutral sein. „Darüber werden wir wachen und die Umsetzung einfordern“, verspricht Praetor. Und: „Die Stadt soll gegebenenfalls ihre Stimme erheben gegen Land und Bund.“

Für das Kasernengelände an der Krefelder Straße in Willich gibt es bisher noch keine Ideen einer Folgenutzung.

Foto: Marc Schütz

Zum Thema Nachhaltigkeit gehören für die Grünen auch lebenswerte Ortskerne. „Da müssen wir dranbleiben und mit dem Einzelhandel Ideen entwickeln“, sagt Praetor, der Innenstädte als Kommunikationsräume mit einem gastronomischen Angebot einerseits, aber auch als Räume zur Versorgung und Standorte für Tagespflege-Angebote sieht. Zum geplanten Vollsortimenter im Zentrum Anraths sagen die Grünen: „Das geht nur, wenn er eine Ergänzung zum bestehenden Einzelhandelsangebot ist.“ Die Umgestaltung des Willicher Marktplatzes sehen die Grünen nach wie vor kritisch, sie war ihnen schlicht deutlich zu teuer. Und: „Wenn die Häuser ringsum verfallen, bringt auch eine Platzsanierung nichts“, so Praetor, der die Stadt in der Pflicht sieht, Anreize zur energetischen Sanierung der Bestandsimmobilien zu schaffen: „Da muss einfach eine Kultur des Unterstützens her.“

Wichtig ist den Willicher Grünen auch das Thema „Flächenpolitik“. Zum einen müsse man das Angebot auf dem Wohnungsmarkt stärken, und dazu haben die Grünen schon eine konkrete Idee: „Wir stellen uns ein genossenschaftliches Modell namens ,Moltkedorf’ an der Moltkestraße vor, wenn die dortige Flüchtlingseinrichtung Ende 2021 abgebaut wird“, sagt Merlin Praetor. So könne man beispielsweise starken Mietsteigerungen vorbeugen. „Das Engagement für bezahlbaren Wohnraum muss stärker werden“, ergänzt Berg und fordert, dass der dritte Teil der Klimaschutzsiedlung günstigen Wohnraum bietet. Frühzeitig Gespräche führen und Pläne in der Schublade haben müsse man auch, wenn die Bundeswehr Ende 2024 das Depot an der Krefelder Straße verlässt.

Gebührenfreie Kitas soll es nach Willen der Grünen nicht geben

Flächen werden natürlich auch für das Gewerbe benötigt, aber hier warnen die Grünen vor einem Ausufern: „Brauchen wir wirklich neue Gewerbegebiete?“, fragt Berg, und Praetor sagt klipp und klar: „Wir sind definitiv gegen Münchheide V und VI.“ Schon jetzt seien die Straßen überlastet.

Mit der CDU auf einer Wellenlänge liegen die Willicher Grünen bei der Frage, was die Beitragsfreiheit für Kitas, Tageseltern und Offene Ganztagsgrundschulen angeht. Eine völlige Beitragsfreiheit sei theoretisch zwar wünschenswert, „aber einfach unrealistisch“, so Praetor. Zudem seien Eltern durchaus bereit, für gute Qualität zu bezahlen. Ziel der Grünen im Arbeitskreis mit der CDU und Elternvertretern zum Thema: „Alle sollen weniger zahlen müssen, und die Einkommensgrenze wird angehoben. Dabei muss die bisherige Qualität der Betreuung erhalten bleiben.“

Einsetzen wollen sich die Grünen in Willich auch für eine Senkung der Anliegerbeiträge bei zukünftigen Straßensanierungen. „Wir sind eine reiche Stadt. Es darf nicht passieren, dass wegen der Beiträge jemand sein Haus verliert“, so Berg. Eine Beitragsfreiheit sei allerdings kontraproduktiv. Praetor: „Eine Gebührenerhebung auf einem geringen Level ist sinnvoll, weil so der Anreiz, dass man die Straße mitpflegt, statt nach einem Neubau zu rufen, größer ist.“ msc