St. Cornelius: Glocken läuten auf Youtube
Er ist 16 und Experte für Klänge vom Turm. Nun hat Matthias Dichter Cornelius im Ohr.
St. Tönis. Monika Jacobs und Luzie Czapiewski stehen pünktlich zum Glockenschlag um ein Uhr an St. Cornelius. „Sonst halten wir um diese Zeit Mittagsschlaf“, sagt Monika Jacobs. Aber die Ankündigung, dass die Glocken der katholischen Pfarrkirche von St. Tönis nun läuten werden, um in eine europaweite Dokumentation von Kirchenglocken aufgenommen zu werden, halten die Damen wach. Ihr Herz schlägt für die Pfarre — und fürs Geläut: „Wir haben die Glocken vor einem Jahr selbst einmal geläutet. Das war ein Erlebnis“, sagt Monika Jacobs, während Dreifaltigkeitsglocke, Cornelius- und Antoniusglocke und die anderen in 45 Metern Höhe hin- und herpendeln.
Der Pfarrgarten ist erfüllt von diesem Klanggemisch aus kräftigen hellen und dunklen Tönen. Es ist ein geradezu feierlicher Moment in der Mittagszeit. „Da oben ist mein Enkelsohn, Matthias Dichter“, sagt Katharina Fünders. Der 16-Jährige nimmt das Klangspiel auf. „Er hat sich schon als Kind immer für Glocken interessiert“, erzählt Katharina Fünders. Ihr Mann, ein Kirchenrestaurator, habe den Jungen oft mitgenommen. „Der Dicke Pitter im Kölner Dom hatte es ihm besonders angetan.“ Mittlerweile ist der Enkel ein Teenager und hat schon viele Glocken läuten hören. „Er verbringt seine Freizeit mit dem Thema“, bestätigt Mutter Perdita Dichter, die für die heutigen Tonaufnahmen mit dem Sohn aus Übach-Palenberg hergefahren ist. Der Berufswunsch des Waldorfschülers, Klasse 10, steht längst fest: „Er will Glocken-Sachverständiger werden.“
Diesen Titel trägt Dennis Wubs (26) bereits. Sein Wagen mit niederländischem Nummernschild parkt an der Kirche. Er ist am Morgen von Groningen dreieinhalb Stunden nach St. Tönis gefahren, um seinen Kumpel Matthias bei den Aufnahmen zu unterstützen. Beide haben sich über das Internet kennengelernt und stellen regelmäßig Filme und Glockentöne auf der Video-Plattform Youtube ein. Während die beiden jungen Männer im Glockenturm Tonaufnahmegerät und Kamera laufen lassen, steht ihnen Hans Weinand, Mitglied des Kirchenvorstandes, zur Seite. Nach ersten Email-Kontakten hat er Matthias Dichter nun persönlich kennengelernt. Und ihm seine eigene Glocken-Geschichte erzählt: „Ich war es, der am 8. Dezember 1960 zum ersten Mal heimlich die damals neuen Glocken geläutet hat. Eigentlich sollten sie erst Weihnachten zu hören sein.“
Matthias fühlt sich in dem dunklen, staubigen Glockenstuhl wohl wie im eigenen Zimmer. „Ich verbinde sehr viel mit diesem Ort, Klang, Geschichte, Atmosphäre.“ Er wird Ton- und Filmaufnahmen ins Internet stellen, sagt er und konzentriert sein Tonaufnahmegerät als Nächstes auf die Angelus-Glocke.