Unterhalt belastet Städte mehr
Wenn ein Elternteil keinen Unterhalt zahlt, treten die Jugendämter in Vorleistung. Die Kosten dafür steigen stetig — und die Rückzahlquote ist gering.
Kreis Viersen. In den Jugendämter der Region hat man im Laufe des zurückliegenden Jahres personell aufstocken oder zumindest umschichten müssen. Grund für die personelle Aufstockung ist eine Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes, das den Kommunen mehr Arbeit beschert. Einen Vorschuss können Alleinerziehende beim Jugendamt beantragen, wenn der Ex-Partner fürs gemeinsame Kind keinen Unterhalt zahlt. Die Kommune tritt dann in Vorleistung.
Im Jugendamt der Stadt Nettetal waren im Stellenplan bislang 2,15 Stellen vorgesehen, sind es im Haushaltsentwurf für dieses Jahr nun 4,15 Stellen. Bislang wurde der Vorschuss maximal 72 Monate gezahlt — und auch nur für Kinder bis zum zwölften Lebensjahr. Zum 1. Juli 2017 trat eine Gesetzesänderung in Kraft: Seither kann der Vorschuss für Kinder bis zum 18. Lebensjahr beantragt werden, eine zeitliche Begrenzung gibt es nicht mehr.
Durch die Reform ist die Zahl der Fälle, die die Mitarbeiter bei den Unterhaltskassen der Kommunen bearbeiten, gestiegen. Ein Beispiel: Das Jugendamt des Kreises Viersen, zuständig für die Gemeinden Brüggen, Grefrath, Niederkrüchten und Schwalmtal sowie für die Stadt Tönisvorst, betreute zum 30. Juni 2017 insgesamt 325 Zahlfälle. Zum 30. November waren es 573, hinzu kommen einige Fälle, die noch in Bearbeitung sind. „Das Jugendamt geht davon aus, dass sich die Fälle durch die neuen Ansprüche in etwa verdoppeln werden“, sagt Benedikt Giesbers, Sprecher des Kreises Viersen.
Entsprechend rechnen die Kommunen damit, dass auch die Ausgaben für den Unterhaltsvorschuss im neuen Jahr 2018 deutlich höher sein werden als 2017. Wendete das Kreisjugendamt im Jahr 2016 noch 680 417 Euro für den Unterhaltsvorschuss aus, waren es 2017 insgesamt 1,04 Millionen Euro — bedingt durch die Gesetzesänderung Mitte des Jahres. Ab 2018 schlägt sich die Änderung auf das gesamte Haushaltsjahr nieder, daher plant der Kreis für das kommende Jahr 1,78 Millionen Euro für Unterhaltsvorschüsse ein.
Ähnlich sieht es in den Städten aus, die ein eigenes Jugendamt haben. Die Stadt Nettetal plant ebenfalls damit, dass sich die Fälle verdoppeln. In ihrem Haushaltsentwurf für 2018 sind daher 900 000 Euro für Unterhaltsvorschüsse eingeplant — bei der Planung für den Haushalt 2017 lag der Ansatz noch bei 462 000 Euro. Im Jahr 2016 gab die Stadt Nettetal für diesen Posten 454 489 Euro aus. Die Stadt Kempen wandte 2016 insgesamt 334 580 Euro auf, im gerade abgelaufenen Jahr 2017 waren es 471 271 Euro. Für 2018 habe die Stadt aufgrund aktueller Hochrechnungen Mittel in Höhe von 540 000 Euro veranschlagt, sagt Sprecher Christoph Dellmans.
Die Städte und Gemeinden müssen nicht allein in Vorleistung treten: 40 Prozent der Kosten erstattet der Bund, 30 Prozent übernimmt das Land. Auch das ist neu: Vor der Gesetzesänderung mussten die Kommunen in NRW 53,3 Prozent der Kosten stemmen. Allerdings führt der geringere Anteil der Städte durch die steigenden Fallzahlen nicht zu einem besseren Ergebnis in der Kasse. Beispiel: Die Stadt Viersen wendete 2016 rund 1,2 Millionen Euro für Unterhaltsvorschüsse auf, der städtische Anteil lag bei 465 000 Euro. Die Stadt rechnet damit, Ende 2017 rund 1,6 Millionen Euro ausgegeben zu haben (Eigenanteil: 480 000 Euro), für 2018 plant sie 2,8 Millionen Euro ein (570 000 Euro). In Willich betrug 2016 der städtische Anteil 179 199 Euro, 2017 waren es bis kurz vor Jahresende bereits 292 005 Euro. Für 2018 rechnet die Stadt Willich mit 280 000 Euro.
Die Städte versuchen, sich das Geld von den unterhaltspflichtigen Elternteilen, meist Vätern, zurückzuholen. Doch nicht alle können zahlen: Wenn der Vater arbeitslos ist oder wenig verdient, bleiben die Kommunen auf den Kosten sitzen. In Nettetal lag die Rückholquote 2017 bei 18,7 Prozent.