Unterricht ohne ein Blatt Papier
Leonie Hümmeler und Julia Cleef wollen mit ihrer Idee den Schulalltag revolutionieren. Die beiden experimentierfreudigen Mädchen wollen weg von massenhaft anfallenden Kopien, Arbeitsblättern, sogar weg von Schulbüchern und hin zum Unterricht am Computer.
Anrath. Noch agieren sie wie Günter Jauch bei seinen langjährigen Stern-TV-Auftritten. Ohne Moderations-Kärtchen ging er nie ins Fernsehstudio und sie nun nicht in diese Präsentation. Dabei verfolgen Julia Cleef und Leonie Hümmeler, beide zwölf Jahre jung, mit den Stichworten auf den Karteikarten ein hehres Ziel.
Sie wollen den Schulalltag der Zukunft revolutionieren — nicht nur an ihrer Schule, dem Lise-Meitner-Gymnasium; wenn sich die Idee über Jugend forscht hinaus herumspricht und finanzkräftige Förderer findet, auch überall.
Die beiden experimentierfreudigen Mädchen wollen weg von massenhaft anfallenden Kopien, Arbeitsblättern, sogar weg von Schulbüchern und hin zum Unterricht am Computer. Ihr Gingko-Book, einem Netbook ähnlich, mit Anschluss an eine Internet-Plattform, soll Schüler und Lehrer rund um die Uhr und allerorts vernetzen, Informationen, Aufgaben, Übungen verlinken, Wissen verknüpfen, verarbeiten, anhäufen und weiterentwickeln.
Leonie und Julia rechnen vor: „In Deutschland gibt es zwölf Millionen Schüler. Jeder von ihnen verbraucht pro Jahr zwischen 1000 und 1500 Din A4-Blätter. Mit dieser Papiermenge könnte man ein zwei Meter breites Band bis zum Mond spannen.“
Die papierlose Idee der Mädchen soll Umwelt und Klima schonen. Außerdem haben sie bei Umfragen in Grundschulen vor Ort herausgefunden, dass 80 Prozent der Schultaschen zu schwer sind. „Das führt langfristig zu Haltungs- und Rückenschäden.“
Die beiden Schülerinnen aus der Klasse 7 wollen alle Technik-skeptischen Lehrer überzeugen. Die können sich schon einmal an den Gedanken gewöhnen, künftig Aufgaben nicht mehr als Kopien, sondern mit einem Klick an die Klasse weiterzureichen.
Über mögliche Sicherheitslücken haben sich die Anratherinnen erst einige Gedanken gemacht. Hat ein Schüler seine Hausaufgaben erledigt, könnten die Lösungen beispielsweise mit einem digitalen Stempel versehen werden. Dieser Stempel ließe das Abschreiben, pardon, Kopieren durch andere nicht mehr zu. Spickzettel haben in der Unterrichts-Vision von Leonie und Julia eh nichts mehr verloren.
Das Book soll groß wie zwei nebeneinanderliegende Din A4-Blätter sein, mit einem Spezialstift beschrieben werden können und „höchstens 100 Euro das Stück kosten“, sagt Leonie. Ginkgo nennen sie es, weil die Blattform an einen Trichter erinnert. USB-Anschluss, kraftvolle Akkus sollen zur Ausstattung gehören.
Auf die Frage, ob diese Art des Unterrichtens nicht auch langfristig den täglichen Besuch im Klassenzimmer überflüssig mache, meinte Julia: „Ja, man könnte die Schulzeit reduzieren und mehr zu Hause arbeiten.“ Aber dieser Gedanke steht bisher noch auf einem anderen Blatt Papier.