Volker Pispers, der Wutbürger
Kanzlerin Merkel und Außenminister Westerwelle hätten im Programm des politischen Kabarettisten wenig zu lachen.
Willich. Die ungeheure Wut über Hartz IV, über Merkel, Westerwelle, Sarrazin und Guttenberg scheint die Quelle zu sein, aus der Volker Pispers die Kraft für sein gut zweieinhalbstündiges, wahrlich monumentales Programm „Bis neulich“ schöpft.
Aber diese Wut scheint ihn auch dünnhäutig gemacht zu haben: So legte er am Donnerstagabend in der Jakob-Frantzen-Halle mit kleiner Verzögerung los: Erst mussten einige Lampen gelöscht werden, die den Maestro bei seiner Arbeit störten. Das klappte nicht auf Anhieb, Pispers fluchte.
„Sarrazin hat die Beschimpfung der Muslime als Geldquelle entdeckt“: Volker Pispers weiß seine Fans mit solchen Sätzen zu begeistern. „Schön bissig, herrlich“: Solche lobenden Bemerkungen waren immer wieder zu hören.
Dass Pispers etwas von Populisten übernommen hat, ging dabei unter: Auch er vereinfacht komplexe Sachzusammenhänge so, dass sie in sein Weltbild passen. Gibt es in Deutschland keine Probleme durch Muslime?
„In jeder Familie gibt es einen Deppen“, erklärte Pispers und wetterte gegen die Ausbeutung der proletarischen Massen — kein Wunder, dass einzig „Die Linke“ von seinen ausgefeilten, ziemlich genialen Verbalattacken verschont bleiben sollte.
Westerwelle bezeichnete er als „zweibeiniges Fettnapf-Suchgerät“, und er stellte eigene Wörter beziehungsweise Begriffe vor: Warum sollten Arme künftig nicht als „einkommensfreie Schichten“ bezeichnet werden? Und aus „anständig“ könnte „Guttenberg-fern“ werden.
Volker Pispers spürte sie auf, die Ungereimtheiten wie diese: „Ärzte beschweren sich, dass sie zu wenig verdienen und dass sie den Spitzensteuersatz bezahlen müssen.“ Der 53-Jährige, der mächtig unter Dampf stand, der so entrüstet zu sein schien wie schon lange nicht mehr, hat den Hass auf die Springer-Presse von den 1968er Jahren in die Gegenwart gerettet. Das hörte sich dann so an: „Man beleidigt einen toten Fisch, wenn man ihn in Bildzeitungs-Papier einwickelt.“
Pispers thematisierte auch den Klimawandel auf die für ihn so typische Weise. Umweltprobleme wie ein Ansteigen des Meeresspiegels in rund 100 Jahren machten ihm keine Angst: „Dann leben sowieso fast nur noch Moslems hier. Die können sich die Atommüllfässer dann unter die Burka binden.“
Als Beweis, wie illusorisch es ist, Prognosen über einen längeren Zeitraum abzugeben, mussten „der Russe“ herhalten, der jahrzehntelang sinnbildlich vor jeder Tür stand. „Heute isst der Russe im Fernsehen seine Milchschnitte“, scherzte Pispers und meinte die Klitschko-Brüder.
Etwas entspannter, nicht mehr mit ganz so viel missionarischem Eifer kam Pispers rüber, als er sich über den technischen Fortschritt ausließ: Eine Matrize erklärte er den Jüngeren im Publikum als „i-Pad mit Kurbel“.