Von der großen Liebe zu einem Auto

Jörg Niemeyer aus St. Tönis stößt mit seinem Triumph TR6 „überall auf Freundlichkeit“.

Foto: msc

St. Tönis. Die schönste, schnellste und spaßigste Verbindung zwischen Himmel und Erde ist für Jörg Niemeyer sein britischer Roadster, ein Triumph TR6, Baujahr 1976. Über seinem Kopf ziehen die weißen Wolken am blauen Himmel vorbei, der Wind weht über die Frontscheibe je nach Jahreszeit Kälte oder Wärme und die Gerüche der Umgebung ins Wageninnere, und die Räder des 42 Jahre alten Sportwagens gieren nach der nächsten Kurve, die der 62-jährige Tönisvorster anpeilt. Er schaltet einen Gang zurück, hält das Holzlenkrad fest und freut sich am nun lauter werdenden Brummen des 120 PS leistenden Sechs-Zylinder-Motors. „So ein Roadster ist ein Auto für alle Sinne“, sagt Jörg Niemeyer.

Schon als Junge hat sich der aus Osnabrück stammende Maschinenbau-Techniker an den Scheiben des Roadsters des Nachbarn die Nase platt gedrückt. Das war ein Triumph Spitfire in Weiß, und irgendwann, so schwor er sich, wollte er auch einmal ein solches Auto haben. Bis 2010 sollte die Erfüllung seines Traums allerdings dauern, und als auch der Familienrat begeistert sein Okay gegeben hatte, parkte endlich ein Roadster in der klassischen Lackierung „British Racing Green“ in der Garage in St. Tönis — und wurde natürlich bei jeder sich bietenden Gelegenheit ins Freie gelassen. „Ich fahre auch im Herbst und im Winter offen, wenn die Straßen trocken und salzfrei sind“, sagt der begeisterte Roadster-Fahrer Niemeyer — der sich stilecht mit Lederjacke, Mütze und Sonnenbrille hinters Lenkrad setzt.

Vor drei Jahren musste der Spitfire, der mit seinen aufregenden, ins Blech gepressten Rundungen und mit seiner samt Kotflügeln nach vorn schwingenden Motorhaube an den legendären Jaguar E-Type erinnert, dem ebenfalls dunkelgrünen und mit beigen Ledersitzen ausstaffierten, aber deutlich klarer gezeichneten TR6 weichen. „Der ist bei den heutigen Verkehrsverhältnissen einfach sicherer, weil man nicht ganz so dicht über der Straße sitzt“, sagt Niemeyer. Der Vorbesitzer, erzählt er, hatte Tränen in den Augen, als der Tönisvorster und seine Frau Heike das gute Stück abholten. Schließlich hatte er das aus Kalifornien stammende Fahrzeug 17 Jahre lang besessen und aufwendig restauriert.

An der makellosen Optik des Roadsters erfreuen sich aber nun nicht nur Jörg und Heike Niemeyer, sondern auch viele Wanderer, Radfahrer, Motorradfahrer oder sonstige Passanten, die ihnen auf ihren kurzen Ausflügen oder langen Reisen begegnen. „Mit einem solchen Auto stößt man überall auf Freundlichkeit“, freut sich Niemeyer. Und diese bekommt man mit geöffnetem Verdeck natürlich akustisch wie optisch hautnah mit — und kann mit den Menschen am Straßenrand auch selbst ganz leicht kommunizieren. „Als Cabriofahrer muss man schon ein kommunikativer Mensch sein“, sagt Niemeyer lachend.

Auch wenn so ein TR6 ein sportliches Auto ist, geht es Niemeyer nicht um Geschwindigkeit, sondern um den Genuss am Offenfahren. Lange Autobahnetappen meidet er deshalb, nimmt lieber die Nebenstrecken und genießt so die Fahrten über kurvige Landstraßen, wenn es beispielsweise an den Bodensee geht oder wenn ihn die Reise in die Heimat seines Autos, nach England, führt. „Die Besitzerin eines wunderschönen Hotels in Cornwall hat sich sogar bei uns bedankt, dass wir unser Auto auf ihrem Parkplatz abgestellt und so die anderen Gäste erfreut hatten“, erzählt Niemeyer.

Wenn die Niemeyers auf längere Reisen gehen, schnallen sie einen 50 Jahre alten Lederkoffer auf den Gepäckträger über dem Kofferraumdeckel — alles soll möglichst stilecht sein, weshalb das Navigationssystem auch nur im Notfall den Weg weist. Aus dem Radio tönten die Hits der 70er- und 80er-Jahre, „aber nie so laut, dass man nichts mehr von der Umgebung mitbekommt“, sagt Jörg Niemeyer. „Das ist für mich Entspannung, das ist für mich Lebensfreude.“

Und die kann es ihm auch nicht vermiesen, wenn der Wagen mal zickt. Manche Reparatur erledigt er in seiner mit Spezialwerkzeug und Fachliteratur ausgestatteten Garage, vor großen Touren wird das Auto in einer auf britische Fahrzeuge spezialisierten Werkstatt in Viersen ordentlich durchgecheckt. „Großartig liegengeblieben bin ich daher noch nie.“ msc