Schiefbahner Lyriker Lyriker sucht Bedeutung hinter den Bildern

Schiefbahn. · In seinem neuen Buch verarbeitet Marcell Feldberg Ergebnisse eines Projekts zur Interpretation von Bildern.

Marcell Feldberg wohnt in einem Fachwerkhaus. Der Künstler mag die Abgeschiedenheit, aber auch die Nähe zur Stadt.

Foto: Norbert Prümen (nop)

„Durch den Briefschlitz auf das Bodenmosaik des Flurs gefallen“, so zumindest wirkt es für Marcell Feldberg, wenn er auf Joe Tilsons „Postcards from Venice“ blickt. Das Bild einer Postkarte, die zum Teil in einem Umschlag steckt, hängt zwar eigentlich an der Wand neben der Haustür, aber für Feldberg kommt es nicht unbedingt in erster Linie darauf an, wie etwas ist, sondern wie es auf den Betrachter wirkt. Dass dieser Eindruck bei jedem Menschen unterschiedlich ausfallen kann, ist dem Schiefbahner Lyriker dabei durchaus bewusst. Gerade erst hat er in seinem neuen Band „Korrespondenz und Kalender“ der Reihe „Archiv der Bilder“ wieder Werke auf sich wirken lassen und seine Gefühle und Gedanken in Gedichtform aufgeschrieben.

In dem Langzeitprojekt, das 2013 startete, verfolgt der 51-Jährige seine These, dass Menschen Bilder nie so wahrnehmen, wie sie erscheinen, „sondern immer kontext- und gefühlsgebunden“, erläutert der Schiefbahner. So hat er, auch inspiriert von der Wiener Schriftstellerin Friederike Mayröcker, große Freude an Collagen, beispielsweise Zeitungsschnippseln, die er zusammensetzt und damit zu einem neuen Bild zusammenfügt, Gedankenfetzen, die irgendwann ein Ganzes ergeben.

Der Künstler hat Kirchenmusik und Philosophie studiert

Feldberg stammt gebürtig aus Schiefbahn, wo er heute in einem gut 400 Jahre alten Fachwerkhaus wohnt. In Düsseldorf studierte er Kirchenmusik, Germanistik, Philosophie und Musikwissenschaft, worin er promovierte. Hauptberuflich ist er koordinierender Kirchenmusiker an St. Hubertus. „Dazu kommt das Schreiben“, sagt er. Feldberg reist gerne und viel, so sitzt er für die Arbeit an seinen Gedichten auch häufiger mal in Kaffeehäusern, beispielsweise in Wien und Triest. Aber wirklich länger weg aus Schiefbahn habe es ihn nie gezogen, berichtet Feldberg: „Ich lebe strategisch gut hier.“ Schnell sei er in Köln, Düsseldorf, Essen und Amsterdam, Belgien und Frankreich lägen auch fast direkt vor der Tür. „Es ist eine Transitgegend, wodurch man mal eben in eine völlig neue Welt gelangen kann“, sagt Feldberg.

Überhaupt hat es dem Schiefbahner jener Stadt-Land-Gegensatz des Niederrheins angetan. „Es ist eine kulturell und überhaupt so reichhaltige Gegend“, schwärmt er. Wenn er mal keine Lust auf Trubel habe, setze er sich in seinem Fachwerkhaus auf die Couch, auf der anderen Seite sei er schnell in der Landeshauptstadt, wenn er ins Kino wolle. „Manchmal brauche ich die Dosis Stadt“, sagt Feldberg.

Die Inspirationen fand Feldberg
in der Natur oder im Museum

Nach „Spiegelungen“ und „Im Widerschein der Wirklichkeit“ ist dem Lyriker nun mit „Korrespondenz und Kalender“ ein dritter Band gelungen, mit dem er zum Nachdenken über das Offensichtliche anregt. Begegnet sind ihm die verarbeiteten Bilder meist zufällig, mal im Museum, ein anderes Mal eben in der Nähe seiner Haustür: „Handgemachte Gedanken, einander überlappend, Wahrheit und Traum, Zufall, Vergangenheit und Gegenwart“, wie es im Gedicht zu Tilson heißt. Seine Gedanken schreibt Feldberg zunächst in einem roten Büchlein auf, das er immer bei sich trägt.

Gerade erst ist der dritte Band erschienen, aber schon jetzt arbeitet Feldberg an der nächsten Fortsetzung der Reihe. „Atlas und Arsenal“ lautet der Arbeitstitel. Darin beschäftigt er sich mit Begriffen, die verschiedene Assoziationen auslösen können, und hat etwa eine Liste mit Synonymen erstellt. Zudem arbeitet er mit einem Galeristen aus London und dem französischen Künstler Nicolas Poignon an einem Projekt mit Linolschnitten und Lyrik. Mit der Veröffentlichung rechnet Feldberg für das Frühjahr des kommenden Jahres.