Performance beim Asphalt-Festival Eine Welt voller Schleim beim Asphalt-Festival

Düsseldorf · Bei „Gootopia“, einer Performance der österreichischen Choreografin Doris Uhlich, wird Glibber zum faszinierenden Mitspieler. Das Publikum im Weltkunstzimmer ist begeistert.

Gegen Ende von „Gootopia“ ist der Schleim blutrot. Foto:

Foto: Asphalt/Ralf Puder

Sie liegen, sitzen, kauern auf dem Boden. Sechs nackte Körper, braune, weiße, behaarte. Ein Mann mit wirrer Mähne und Bart ist tätowiert: rotes Herz auf der Pobacke, Neptuns Dreizack und allerlei Zierrat. Schwarze Eimer stehen bereit. In einer Ecke lagern milchig-weiße Kugeln, wie Quallen. Ein Schlauch schlängelt sich über die Spielfläche aus Gummi, an deren Rand die Zuschauer sich auf dem Boden niederlassen. Andere wählen die Per­spektive von der umlaufenden Galerie auf das Schleim-Spektakel „Gootopia“.

Die installative Performance der österreichischen Choreografin Doris Uhlich wurde beim Asphalt-Festival an zwei Abenden in der Glashalle des Weltkunstzimmers aufgeführt. „Goo“ ist das englische Wort für Schleim oder Schmiere. Eine eigentlich vertraute biologische Substanz, die unterschiedliche Empfindungen auslöst. Das kann Befremden sein, Ekel oder Furcht vor dem Unbekannten, dem bedrohlich Fließenden.

Für Doris Uhlich ist Schleim etwas Natürliches. Er halte den Organismus zusammen und stelle Verbindungen her, sagt sie. Bei „Gootopia“, im Oktober 2021 in Wien uraufgeführt, experimentiert sie mit allen Formen des Glibbers, den sie in rauen Mengen synthetisch herstellen lässt. Dünnflüssig, zäh wie Brei oder essbar. Während der 90-minütigen Vorstellung verselbstständigt sich der Schleim auf faszinierende Art. Er wird zum Akteur, spielt mit.

Zu Beginn ist es still. Keine Musik, nur Geräusche. Drei Frauen und drei Männer machen sich ans Werk, jeder für sich. Eimer werden umgekippt, weißer und gelber Schleim klatscht auf den Boden. Dort wird er gefaltet wie Wäsche, gezogen wie Teig, über die Schulter geworfen und herumgeschleppt. Ein Mann kniet in einer schillernden Lache, zieht fragile Fäden, hüllt sich ein, bindet sie zum Wickelrock. Eine Frau bemächtigt sich der qualligen Kugeln, quetscht sie zusammen, hält sie wie einen Säugling an die Brust. Immerzu gibt es etwas zu entdecken, ständig verändert sich das Bild.

Musik hat eingesetzt, rhythmisch vorwärts drängend, die Performer befeuernd. Deren Nacktheit wirkt weder obszön noch vermittelt sie den Zuschauern das Gefühl von Voyeurismus. Irgendwann, denkt man, sollten sämtliche Variationen ausgeschöpft sein. Aber nein, mit hohlem Plopp und lautem Schmatzen verformt sich der Schleim erneut.

Als die Techno-Musik stoppt, breitet sich fast meditative Ruhe aus. Die Akteure robben jetzt aufeinander zu. Erst rollen sie zu zweit in ihren schleimigen Hüllen über den Boden, dann werfen sie sich auf einen Haufen und beackern den Glibber. Kriechtieren gleich, zupfen und rupfen sie ihn zum Netz oder zum Umhang, der Schutz bietet, klatschen ihn zusammen, als seien sie wütend auf ihn. Schließlich bilden alle eine wellige Körperkette, halten sich an den Füßen fest, schließen sich zum Kreis, driften auseinander.

Längst ist die Spielfläche eine Rutschbahn. Der Schleim ist überall, aber er lässt sich ordentlich aufhäufeln und wieder in die Eimer sperren. Bis der Gummiboden leer ist und zur Szenerie wird für zwei Einzelaktionen, die allerdings etwas zu lang geraten. Wenn eine Frau ihr Gesicht in gurgelnden Schleim taucht und Schreie ausstößt wie ein waidwundes Tier, ufert das aus. Beim ohrenbetäubenden Finale sind alle wieder vereint und teilweise bekleidet, sogar mit Anorak plus Fellbesatz. Erstmals wird blutroter Schleim eingesetzt, zu Strumpfhose und Ärmeln gedehnt. Alles trieft, alles glänzt. Dann ist Schluss. Frenetischer Jubel und langer Applaus für
„Gootopia“.