Debatte um die NRW-Finanzen im Landtag Mit Maß oder splitterfasernackt? Der NRW-Haushalt 2020
Düsseldorf · Der Finanzminister bringt einen ausgeglichenen Haushalt ein. Für den Oppositionsführer ein Märchen mit dem Titel „Kaiser Armins neue Kleider“.
Ist die nordrhein-westfälische Landesregierung gut und warm gekleidet – oder splitterfasernackt? Am Mittwoch hat sie den Haushalt für das kommende Jahr in den Landtag eingebracht. Einen Haushalt, der ohne neue Schulden auskommt. Dennoch gerät die Debatte traditionsgemäß zur Generalabrechnung. Oppositionsführer Thomas Kutschaty (SPD) kommt sich nach eigenem Bekunden vor wie im Märchen „Kaiser Armins neue Kleider“ und wirft dessen Kabinett vor: „Politisch haben Sie nichts an. Politisch sind Sie alle nackt!“
Die Worte „Maß und Mitte“ gefallen Lienenkämper, er benutzt sie etwa ein halbes Dutzend Mal in seiner Rede vor dem Plenum. „Haltung bedeutet: Kurs halten“, mahnt der Hüter der Landesfinanzen. „Nicht das Fähnchen in den Wind hängen und sich wundern, wenn man sich nur noch um sich selber dreht.“ Der Forderung, das Geld angesichts eines drohenden Abschwungs nunmehr kräftig rauszuhauen, erteilt er eine klare Absage, denn: „Auch billig aufgenommene Schulden belasten folgende Generationen.“ Der Minister fordert stattdessen: „Reden wir doch bitte keine Krise herbei!“ Es habe noch nie so viele Jobs in NRW gegeben wie heute.
Was Lienenkämper Maß nennt, ist in den den Augen von SPD-Fraktionschef indes das Eingeständnis, dass Mut und Neues von der Landesregierung nicht mehr zu erwarte seien: „Zu neuen Zielen wird kein Kabinettsmitglied mehr aufbrechen. Von nun an irren sie alle nur noch durch die Asche Ihrer verbrannten Ideen.“ Dabei hätte die Zeichen für Investitionen nie so gut gestanden – bei einem von Hannelore Kraft noch für NRW gut verhandelten Länderfinanzausgleich und nach wie vor sprudelnden Steuereinnahmen. In Bezug auf das Märchen vom Kaiser, der nur vorgibt, schicke Kleider zu tragen, von allen aber nackt gesehen wird, sagt er: „Diese Regierungsbank wirkt wie ein einziger FKK-Strand!“
Grüne fordern ein Programm „Gutes Klima 2030“
Statt schlankere Strukturen zu schaffen, habe Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) die Ministerialbürokratie um weitere 525 Stellen aufgebläht, sich selbst für die Staatskanzlei einen 40 Millionen Euro teuren Umzug gegönnt. Aber die Zahl der geförderten Wohnungen sei von 2016 bis 2018 um 34 Prozent gesunken, von den Steuermehrausnahmen in Höhe von zehn Millionen Euro seit 2017 gehe kein Cent in den preisgebundenen Mietwohnungsbau.
Auch die Novelle des Kinderbildungsgesetzes und die Entschärfung der Straßenausbaubeiträge fallen bei Kutschaty rundweg durch. Zumindest bei denen ist der Oppositionsführer allerdings sicher, dass sie bald vollständig verschwinden: „Sie werden einknicken!“, prophezeit er der Regierung.
Auch Monika Düker von den Grünen fehlen im Haushaltsentwurf Finanzierungsideen für die großen Herausforderungen der Zukunft. „Die jetzt vernachlässigten Investitionen sind die Schulen von morgen“, warnt sie. Wie zuvor Kutschaty fordert auch sie eine Angleichung der Besoldung von Grundschullehrern, um endlich den Personalmangel zu bekämpfen. Wohnraum für Studierende brauche ein Sofortprogramm, die Finanzlage vieler Kommunen ein Konzept für einen Altschuldenfonds.
Vor allem aber sei ein Programm „Gutes Klima 2030“ überfällig – doch stattdessen verhindere die Landesregierung mit größeren Mindestabständen zu Wohnvierteln den Ausbau der Windkraft. Düker sagt, die Landesregierung breche nicht nur ihr Versprechen, den Kohlekompromiss eins zu eins umzusetzen, „Sie sabotieren ihn sogar“. Da helfe es auch nichts, dass Laschet sich neuerdings gerne als Waldschützer generiere und an Bäume gelehnt fotografieren lasse. Das sei „nur ein grünes Mäntelchen“.
Finanzminister Lienenkämper schießt zurück: Die Wohnraumförderung unter Rot-Grün in den Jahren 2011 bis 2016 habe im Schnitt bei 858 Millionen Euro gelegen – unter der aktuellen Landesregierungen seien es 1,1 Milliarden Euro in jedem Jahr mit der größten Steigerung beim Mietwohnungsbau. Kutschatys Vorwürfe liefen somit ins Leere. Und Dükers Anwürfe könnte man nur erst nehmen, wäre die Investitionsquote unter Rot-Grün denn höher gewesen als jetzt unter CDU und FDP, das Gegenteil sei aber der Fall: „Unsere schlechteste Zahl ist höher als Ihre beste.“ Der Haushaltsentwurf für 2020 bleibt in dieser Debatte als Einziges ausgeglichen.