26-jähriger Vater soll sein Baby erstickt haben

Unter grausamen Umständen starb ein nicht einmal zwei Monate altes Baby — mutmaßlich ermordet von seinem Vater. Die Mutter soll von vorherigen Misshandlung gewusst haben.

Foto: Reichartz

Erst Leo, dann Ben. Jetzt hat die Stadt bereits ihren zweiten Babymordfall innerhalb von noch nicht einmal drei Jahren. Leo wurde 19 Tage alt, Ben sechs Wochen. Leo starb am 21. Oktober 2015, Ben am vergangenen Donnerstag. Die Polizei gab gestern in einer Pressekonferenz nähere Details zu den schrecklichen Geschehnissen an diesem Tag bekannt. Und schnell wurde klar: Es gibt erschreckende Parallelen: Beide Babys wurden mutmaßlich von ihren Vätern gequält und getötet, in beiden Fällen sollen die Mütter von den Misshandlungen gewusst haben, aber nicht eingeschritten sein.

Als die Polizei am vergangenen Donnerstag um 10.20 Uhr die Hocksteiner Wohnung betrat, war der am 19. Dezember 2017 geborene Ben schon sechs bis sieben Stunden tot. Der zuvor alarmierte Notarzt hatte Auffälligkeiten festgestellt. Die Polizei ließ den kleinen Leichnam sofort in der Rechtsmedizin untersuchen. Die Obduktion dauerte bis zum Abend, und sie erbrachte: Der Säugling hat massive innere Verletzungen sowie alte und neue Rippenbrüche. Und: Das Kind wurde erstickt. Am nächsten Morgen wurden die Eltern des Kindes verhört, die seit sieben Jahren ein Paar sind und seit sieben Monaten zusammenleben. Beide sind arbeitslos und polizeilich noch nie in Erscheinung getreten. Dass der kleine Ben ein unerwünschtes Kind war, darauf deute nichts hin, sagt Ingo Thiel, Leiter der Mordkommission. Doch offenbar fühlte sich der 29-jährige Vater durch das Baby in seinem gewohnten Lebensrhythmus gestört. „Er schlief immer bis mittags“, sagt Thiel.

Auch der kleine Leo war von seinem Vater als „Störfaktor“ gesehen worden. Das Baby sorgte dafür, dass dem damals 26-Jährigen nicht mehr die ungeteilte Aufmerksamkeit zukam. Er war eifersüchtig. Wie Leo wurde laut Ermittler auch Ben gequält und misshandelt. „In den Tagen vor seinem Tod hatte sich der Zustand von Ben rapide verschlechtert“, sagt Ingo Thiel, der in beiden Mordfällen ermittelt hat. Aus Angst, dass bei einem nächsten Kinderarzttermin die Misshandlungen seines Sohnes auffallen würden, soll der Vater das Baby in der Nacht zum Donnerstag erstickt haben.

In seinem Verhör habe sich der 29-Jährige zunächst noch als treu sorgender Vater darzustellen versucht, berichtet Thiel. Die Wahrheit muss wohl erst nach und nach herausgekommen sein. „Jetzt haben die Aussagen und die Untersuchungsergebnisse eine hohe Übereinstimmung“, sagt der Kriminalhauptkommissar.

Den ganzen Freitag und am Samstagmorgen seien Vater und Mutter verhört worden. Dann ordnete eine Richterin Untersuchungshaft für beide an. Dem 29-Jährigen wurde zunächst Missbrauch von Schutzbefohlenen und Totschlag vorgeworfen. Letzteres wurde mittlerweile in „Mord“ umgewandelt, weil der Vater den festen Entschluss gefasst haben soll, seinen Sohn zu töten, um so die Misshandlungen zu verdecken, sagt Staatsanwalt Benjamin Kluck, bei der Mutter gebe es keine Hinweise auf Mord. Bei ihr lautet der Vorwurf Totschlag durch Unterlassung. Kluck: „Sie hatte Kenntnis von den Misshandlungen, war zum Teil auch dabei. Ihrer Pflicht als Mutter ist sie nicht nachgekommen.“

Genau das wurde auch Leos Mutter vorgeworfen. Im ersten Prozess hatte sie noch eine Bewährungsstrafe erhalten. Doch die Staatsanwältin war in Revision gegangen. Sie hielt die Strafe für zu milde. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil gegen die damals 25-Jährige auf. Im zweiten Verfahren wurde sie zu drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Leos Vater wurde im Sommer 2016 zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Außerdem stellten die Richter eine besondere Schwere der Schuld fest. Das bedeutet für den damals 26-Jährigen, dass er nach 15 Jahren nicht vorzeitig aus der Haft entlassen werden kann.

Auch Bens Vater droht eine lebenslange Haftstrafe. „Bei Totschlag wären es fünf bis 15 Jahre Freiheitsstrafe“, sagt Staatsanwalt Benjamin Kluck.