Altlasten: Bohren nach Giftigem
In einer Industriestadt wie Gladbach gibt es Schadstoffe im Boden. Mal sind sie mehr, mal weniger gefährlich für den Menschen. Gerade wird das Gelände eines Gaswerks untersucht.
Mönchengladbach. Bis zu 20 Meter lange Bohrer schrauben sich in den Boden des ehemaligen Gaswerks an der Dessauer Straße. Es werden Proben aus der Erde geholt und analysiert. Im Blick der Experten sind vor allem zwei Schadstoffe: Benzole und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe. Beide sind typische Restprodukte aus der Verschwelung von Steinkohle, mit der jede Stadt früher ihr "Stadtgas" herstellte. "Fast alle diese Gaswerke wurden im Zweiten Weltkrieg bombardiert. In vielen wurden dabei Tanks und Gruben zerstört und der Inhalt sickerte in den Boden", sagt Goetz Stellmacher, Leiter der Unteren Bodenschutzbehörde.
Ob und wie sich das an der Dessauer Straße ausgewirkt haben könnte, untersuchen seine Mitarbeiter gerade, nachdem die Bezirksregierung 1,3 Millionen Euro für das Gaswerk und fünf weitere möglicherweise belastete Flächen zahlen wird (siehe Kasten "Was passiert?").
Eine Gefahr für die Nachbarn des ehemaligen Gaswerks gibt es nicht. Das haben die Untersuchungen bereits ergeben. Nun soll nachvollzogen werden, ob und wieviel der Stoffe durch Regenwasser gelöst und ins Grundwasser gespült werden könnte. "Niederschlag ist der häufigste Weg, auf dem sich die Stoffe ausbreiten", berichtet Stellmacher. Nicht immer heißt das jedoch, dass sie das Grundwasser erreichen. Weil es beispielsweise sehr tief im Boden liegt oder das Erdreich verdichtet ist. Und während das erwähnte Benzol beispielsweise sehr löslich ist, mischen sich die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe nicht so gut mit Wasser. Wie hoch die Werte im Boden und im Sickerwasser sein dürfen, ist von Stoff zu Stoff unterschiedlich. Sie bewegen sich im Milligramm- bzw. Mikrogrammbereich. Werden sie überschritten, muss geprüft werden, ob Gefahren bestehen und ob der belastete Bereich saniert werden muss.
Dabei gibt es zwei Möglichkeiten der Sanierung. Die eine ist das Sichern der Belastungen, wie es im Fall der Lederfabrik Goebels am Uferweg in Odenkirchen geschehen ist. Wenn der Boden noch nicht versiegelt sein sollte, kommt eine undurchlässige Schicht auf die Oberfläche und wird verdichtet. Bei der Lederfabrik ist das eine Lehmschicht. Um zu verhindern, dass Regen in die Nachbargärten floss, wurde zusätzlich eine Ringdrainage verlegt, die das Wasser ableitet.
Bei einer Großwäscherei An der Waldesruh in Giesenkirchen war das zum Beispiel nicht möglich. Dort wurde bis vor kurzem das Erdreich komplett ausgehoben. Wie es im Fall des Gaswerks und der anderen fünf Projekte auf der Dringlichkeitsliste weitergeht, ist noch unklar.
In den vergangenen Jahren wurden mit Landesmitteln bei 15 Flächen die Gefahren abgeschätzt, die nötigen Sanierungsschritte geplant oder, wie im Fall der Lederfabrik, bereits saniert. Dabei handelte es sich vor allem um ehemalige Textilstandorte. "Da liegt in Mönchengladbach selbstverständlich der Schwerpunkt", sagt Stellmacher, "ansonsten gibt es in der Stadt nicht mehr Altlasten als in anderen Städten auch."
Kosten Sie liegen zwischen rund 15 000 Euro für eine "Gefährdungsabschätzung" und rund 800 000 Euro zum Beispiel im Fall der Versiegelung "Lederfabrik Goebels". In der Regel fördert das Land 80 Prozent.
Geld zurück Was die Stadt von der Untersuchung bis zur Sanierung zahlen muss, versucht sie, von den Verursachern zurückzubekommen. Sehr häufig gibt es die Firmen aber nicht mehr oder sie sind pleite. Wie im Fall der beiden chemischen Reinigungen, deren Firmengelände jetzt auf der Dringlichkeitsliste stehen. Bei anderen ist nicht klar, wer der Verursacher war . Und im Fall des Gaswerks Dessauer Straße handelt es sich um ein ehemaliges städtisches Unternehmen, deswegen muss die Stadt selbst zahlen.
Dringlichkeitsliste Es gibt zwei Möglichkeiten, Landesmittel für kommunale Altlasten-Untersuchungen zu bekommen: über den Altlastensanierungs- und Aufbereitungsverband (AAV) NRW oder die Dringlichkeitsliste der Bezirksregierung. In letztere wurden gerade sechs Flächen aus Mönchengladbach aufgenommen, bei denen es sein kann (aber nicht muss), dass Altlasten zu finden sind.
Sechs Flächen Neu auf der Dringlichkeitsliste stehen die Fläche des ehemaligen Gaswerks Dessauer Straße (existierte von ca. 1891 bis 1944), einer Chemischen Reinigung an der Pötterstraße (ca. 1982 bis 1990), der Reinigung Volz am Bahner (ca. 1958 bis 1990), der Spinnerei Dilthey, Broicher Straße (ca. 1905 bis 1979) und zwei ehemalige Kiesabbaugebiete an der Kaldenkirchener Straße (Anfang 60er bis Anfang 70er Jahre), deren "Füllung" untersucht werden soll. Vier der Flächen liegen in Wasserschutzzonen.
Gefördert Bis dato bereits auf der Dringlichkeitsliste: Altablagerungen an der Dahlener Straße, Kranichstraße, Römerbrunnen, Rönneterring/Poethenfeld, Wilhelm-Wachtendonk-Straße. Sowie ehemalige Textilstandorte: Alsstraße 257-258, Hardterbroicher Straße 190, Künkelstraße 123 und 125, Uferweg (Goebels), Wickrathberger Straße (Deponie Wickrath).
Wirkungspfade Wege, auf denen Schadstoffe eine Gefahr für den Menschen sein könnten. "Boden - Mensch" untersucht den direkten Kontakt. "Boden - Grundwasser" darauf, ob Regenwasser Schadstoffe ins Grundwasser spült. "Boden - Luft", ob die Stoffe schnell gasförmig werden. "Boden - Tier" und "Boden - Pflanze" untersuchen, ob z.B. über Gemüsebeet oder Hühnerstall für den Menschen ein Risiko über die Nahrungsaufnahme besteht.
Umweltgedanke Erst seit Ende der 90er gibt es einheitliche Kriterien in Deutschland, nach denen auf Altlasten untersucht wird. Auslöser waren Skandale wie Dioxin in einer Deponie in Hamburg-Georgswerder Anfang der 80er. Am Ende stand das Bundes-Bodenschutzgesetz, das 1998 vorgelegt wurde.