Anti-Aggression-Training: Kinder stark machen
In der Grundschule Waldhausener Höhe lernen Dritt- und Viertklässler beim Anti-Aggressions-Training mit Gefahrensituationen umzugehen.
Mönchengladbach. Hermann-Josef Siepmann spricht Klartext: "Seid ihr Männer oder habt ihr noch Pampers an?" Die Jungen der dritten und vierten Klasse kichern und werden leise, anstatt die ganze Zeit durcheinander zu reden und auf dem Bänken in der Turnhalle der Schule an der Waldhausener Höhe herumzurutschen.
Denn von Männern ist ja gefordert, dass sie Regeln kennen und anerkennen. Das haben sie schon in der Schule gelernt und in dem "Gewaltpräventions- und Anti-Agressions-Training" wird ihnen die Bedeutung noch mal klar gemacht. Der Förderverein der Schule finanziert das Projekt, das alle zwei Jahre für die dritten und vierten Klassen der einzügigen Schule angeboten wird.
"Wenn ihr nicht zuhören könnt, dann nicht nachdenken und nicht richtig reagieren, dann ist das euer Problem", sagt Siepmann, der Justizvollzugsbeamter ist und den schwarzen Gurt in einer asiatischen Kampfsportart hat. Siepmann erzählt den Jungs von der Gewalt, die ihnen im Alltag droht, und auf die sie möglichst klug reagieren sollten.
"Was macht ihr, wenn euch im Dunkeln jemand auf der Straße verfolgt?", fragt er. "Ich nehme meine Pistole", ereifert sich einer. Der nächste will sein Messer zücken. "Das habt ihr immer dabei", sagt Siepmann ironisch und weist die Antworten ins Reich der Phantasie.
Siepmann macht diese Trainings aus ideellen Gründen neben seinem Job. "Um Kinder stark zu machen."
Mit seiner Hilfe haben die Kinder schon erfahren, dass ihnen ihre Fäuste nichts nutzen. Sie durften Uwe Kleisa in den Magen boxen. Der 66-Jährige unterstützt Siepmann bei dem Training.
Kleisa hat sich den größten Jungen herausgesucht und der hat ordentlich draufgezimmert und nichts damit ausgerichtet. "Gegen einen Erwachsenen habt ihr keine Chance", machte Kleisa deutlich.
Stattdessen zeigen die Trainer Alternativen. Wenn große Jungs sich beispielsweise an den Kleinen die schmutzigen Hände "abputzen" wollten - eine Situation, die in Prügeleien münden kann - dann könnten sie ja ausweichen. Und das wird geübt.
In erster Linie gilt es, Übergriffe zu verhindern. "Ihr geht aufrecht, nicht wie Opfer", sagt Siepmann und schon sitzen die Jungen alle viel aufrechter.
Die Mädchen, die getrennt von den Jungen in den ersten beiden Unterrichtsstunden unterwiesen wurden, kamen auf die Idee, nach einem Haus zu suchen, das noch beleuchtet ist, und dort zu klingeln. Eine gute Lösung, wie den Mädchen bestätigt wird.
Viertklässlerin Nele fand die Stunden "interessant" und freut sich auf den nächsten Trainings-Tag. Sie hatte vorher nicht darüber nachgedacht, welche Gefahren irgendwo lauern können.
"Aber das ist die Realität", sagt Sigrid Reuschen, Lehrerin der dritten Klasse. Spätestens beim Wechsel an eine höhere Schule sind die heutigen Großen wieder die Kleinen und müssen sich womöglich einiges gefallen lassen. "Bei Siepmann lernen sie, mit Gefahren zu rechnen und auszuweichen", sagt sie. "Dieses Training müsste Pflicht an allen Schulen sein", ist ihre Einschätzung.
Gewalt zwischen den Schülern ist an der Waldhausener Höhe kein brennendes Thema. "Wir sind nur einzügig, jeder kennt jeden, da haben wir gute Kontrollmöglichkeiten", sagt Reuschen. "An großen Schulen geht das nicht, das wäre unrealistisch."
Im Sportunterricht greift sie das Bedürfnis zu Bewegung und sogar zu körperlicher Auseinandersetzung auf und bietet beispielsweise Ringen an. "Da lernen die Kinder, mit dem Bedürfnis nach Kampf umzugehen und die gebotene Fairness."