Bau der Textilakademie startet im November

Private Träger investieren rund 20 Millionen Euro. Künftige Auszubildende können ab 2018 in Deutschlands innovativsten Zentrum lernen.

Foto: Zitex (3)/Detlef Ilgner

Wir schreiben Mittwoch, den 29. August 2018, 7.45 Uhr. Die ersten Auszubildenden — sie hatten es heute früh nicht weit, die meisten haben nebenan im ebenfalls neuen Gästehaus genächtigt — treten durch die Eingangstüren. Die spektakuläre, Christo-mäßig anmutende Fassade ihrer neuen Berufsschule haben sie bereits ausgiebig bewundert, nun geht ein Raunen durch die Runde, die aus Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen stammt — denn auch das lichtdurchflutete Interieur verfügt über zahlreiche textile Bezüge. Erster Eindruck: Die 20 Millionen Euro, die die Verbände der Rheinischen und der Nordwestdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie zu jeweils 50 Prozent investiert haben, haben sich gelohnt.

Dass das alles ziemlich genau so und an genau jenem Tag passiert, davon sind Rolf A. Königs und Wilfried Holtgrave, Vorsitzender und Präsident der beiden Verbände mit Sitzen in Wuppertal und Münster, überzeugt. Sie gaben in dieser Woche den Startschuss für den Bau der „Textilakademie Nordrhein-Westfalen“ auf der bisher unbebauten Ecke von Rheydter- und Breite Straße. Der Kaufvertrag für das Grundstück wurde unterzeichnet, Ende des Monats wird bereits der Bauantrag eingereicht. „Im November ist dann Baubeginn“, sagt Königs, zugleich CEO der Aunde Group und Präsident von Borussia.

Vom „innovativsten Aus- und Weiterbildungsangebot auf deutschem Boden, und zwar quer durch alle Branchen“ spricht Holtgrave. Nicht zu Unrecht. Die Textilakademie soll, als komplett private Berufsschule, die Aus- und Weiterbildung in der nord- und westdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie auf ein ganz neues Level hieven. Denn mit deren Status quo sei man „nicht mehr zufrieden“. Es gebe zu wenig Nachwuchs, so dass in den bisherigen Berufsschulen häufig keine Klassen gebildet werden könnten, was wiederum Pendeln an weit entfernte Standorte wie Plauen im Vogtland zur Folge habe. Und auch bei den Lehrern gebe es „Defizite“, so Holtgrave.

Nun also wird, in räumlicher Nähe zu und enger Kooperation mit der Hochschule, ein völlig neues Ausbildungsmodell auf den Tisch gelegt, das nahezu alle Bildungsbereiche abdeckt. Mit im Boot ist auch die Brancheninitiative Zitex. „Wir mischen die Lehrlinge mit den Studenten, die Berufsschullehrer mit den Professoren“, sagt Königs. Das europaweit einmalige Maschinen- und Laborzentrum der Hochschule steht den Schülern offen. Durch die vielfältige Interaktion erhofft man sich ein gegenseitiges Befruchten und eine höhere Durchlässigkeit zwischen den Bildungsbereichen. Sieben Ausbildungsberufe — Maschinen- und Anlagenführer Textiltechnik bzw. Veredlung, Produktgestalter Textil, Produktionsmechaniker Textil, Produktprüfer Textil, Produktveredler Textil und Textillaborant Textil — werden gelehrt. Und das zunächst rund 300 bis 350 Berufsschülern pro Jahr (100 bis 115 wären in Zwei-Wochen-Blöcken jeweils zusammen vor Ort), mittelfristig aber bis zu 600. Das Gästehaus fasst 80 Personen. Die private Berufsschule ist das Herzstück, aber beileibe nicht das einzige Element des neuen Gebäudekomplexes. Denn es gibt ferner Angebote zur Berufsvorbereitung, zu Schulabschlüssen, zur überbetrieblichen Ausbildung, zum dualen Studium — und besonders zur Weiterbildung. Für Letzteres wurde mit der Hochschule eine separate Gesellschaft gegründet. „Die in Quantität und Qualität völlig neue Form der Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft ist ein Meilenstein in der deutschen Bildungslandschaft“, sagt deren Präsident Hans-Hennig von Grünberg.

Das dickste Brett, das es für die Verbände intern zu bohren galt, war, ihre Mitgliedsbetriebe davon zu überzeugen, dass die für sie künftig deutlich teurere Ausbildung ihrer Lehrlinge auch sinnhaft ist. Königs zog dabei Parallelen zum Fußball. „Das Jugendleistungszentrum hat Borussia keine Kosten verursacht, es war eine Investition in die Zukunft.“ Und die werde — die entsprechend ausgebildeten Mitarbeiter vorausgesetzt — für die Textil- und Bekleidungsindustrie glänzend, gerade weil der Bereich der Technischen Textilien so endlos viele Möglichkeiten biete. Und in die gelte es zu investieren. „Um bei Aunde einen Arbeitsplatz für einen Weber einzurichten, ist ein Invest von acht Millionen nötig“, sagt Königs. „Dafür sollte man dann auch den passenden Mitarbeiter haben.“

Um das textile Ensemble aus Textiltechnikum, Aus- und Weiterbildungsakademie und Hochschule noch um den Bereich der angewandten Forschung zu erweitern, soll außerdem ein Fraunhofer-Institut für Textil- und Bekleidungslogistik angesiedelt werden. „Wir sind diesbezüglich sehr weit und werden die Verantwortlichen der Fraunhofer-Gesellschaft auch davon überzeugen“, prophezeit Königs.