Bühnenbild "Der Menschenfeind": Eine wackelige Angelegenheit
Mit dem Bühnenbild zu „Der Menschenfeind“ haben die Macher Neuland betreten.
Mönchengladbach. Die Idee die Peter Scior für sein Bühnenbild zu der Inszenierung von Molières Komödie „Der Menschenfeind“ vorschwebte, ist in seiner Ausführung ein Novum für deutsche Theater. Ein Parkettboden (Größe neun mal fünf Meter), der zu allen Seiten frei kippen kann.
Die künstlerische Idee hinter dem dramaturgischen Bühnenbild: Es visualisiert den wackligen gesellschaftlichen Hintergrund, vor dem sich Molières Figuren bewegen. Jeder Schritt, den eine Figur tut, hat direkte Auswirkungen auf die anderen Figuren.
„Den Kern eines Stückes mit dem Bühnenbild treffen, das ist mir wichtig“, sagt Peter Scior, „dann ist ein Bühnenbild nicht nur Dekor, sondern kann Stück, Inszenierung und Schauspielern helfen.“ Betritt man das Bühnenbild zu „Der Menschenfeind“ im Theater Mönchengladbach hat man das Gefühl, auf einer Segelyacht in schwerer See zu stehen: Jede Bewegung lässt das Podest auf die eine oder andere Seite schwanken.
Gebremst werden diese Kräfte nur von Gummibändern, die rund um das Podest angebracht sind. Diese sorgen dafür, dass das Objekt — welches mit Schauspielern darauf über eine Tonne wiegen kann — nicht ungebremst auf der Vorderbühne aufschlägt. Möglich macht die Bewegungsfreiheit des Podestes eine Pyramide, die Bühne wird aber zusätzlich abgestützt, „weil sonst die Gewichtsbelastung an einer Stelle einfach zu groß wäre“, sagt Scior.
Damit das Bühnenbild so wie es jetzt fertig in Rheydt steht und auf die morgige Premiere wartet, überhaupt realisiert werden konnte, dafür steht in den Krefelder Werkstätten des Gemeinschaftstheaters ein Team aus Theater-Schreinern, Schlossern, Dekorateuren und Malern bereit.
Hand in Hand mit dem Bühnenbildner haben sie die Idee umgesetzt. „Wir hatten verschiedene Zwischenschritte bei der Entwicklung“, sagt Peter Scior, „die Aufgabe der Gummibänder sollten zuerst Lkw-Stoßdämpfer übernehmen, aber das hat überhaupt nicht funktioniert. Und dann hatte einer die Idee, es mit den Gummibändern zu versuchen.“
Anfang Mai stand das Bühnenbild zum ersten Mal im Theater Krefeld, wo das Stück in der letzten Spielzeit bereits gezeigt wurde. Schauspieler und Regisseur konnten dort proben. „Das war wichtig“, sagt der Bühnenbildner, „es sind schon sehr spezielle Bedingungen, auf so einer Bühne spielen zu können.“
Denn bei dieser wackeligen Angelegenheit müssen die Schauspieler immer genau wissen, wo sie stehen. Sollte doch mal jemand das Gleichgewicht verlieren, fällt er weich: Rund um die Bühne fangen Matratzen jeden Sturz, der aus einer Höhe von bis zu 1,50 Meter passieren kann, ab.