Camping, Ravioli und laute Musik

Beim „Eier mit Speck“ herrscht bereits seit Donnerstag auf den Zeltplätzen Ausnahmezustand.

Foto: Busch

Viersen. Die drei Jungs haben es eilig. Hastig hieven sie auf dem Parkplatz eine Palette Bier nach der anderen aus ihrem Kleinwagen. Genug, um damit eine ganze Hochzeitsgesellschaft zu versorgen. Mitten auf der Straße putzt sich ein Passant die Zähne. Das Wasser zum Spülen kommt aus einer Flasche. Daran stört sich niemand: In Viersen ist wieder Festivalzeit, und das heißt: Ausnahmezustand.

Foto: Busch

Tausende Besucher sind an diesem Wochenende beim „Eier und Speck“-Musikfestival (EmS) zu Gast. Am Donnerstagabend, also einen Tag vor der Eröffnung der Veranstaltung, sind die drei Zeltplätze für die Besucher bereits rappelvoll. Gestern, am Freitagmorgen, sind die besten Plätze längst vergeben.

Nur vereinzelt stehen noch Autos auf einem Parkplatz, der als Entladefläche herhält. Drei Jungs Anfang zwanzig entladen dort ihren Anhänger. „Ich wünschte, wir wären früher gekommen, aber ich muss gestern halt noch arbeiten“, sagt Jonas. Von seinen Freunden wird er damit mit verachtungsvollen Blicken abgestraft. Danach lachen die Freunde gemeinsam.

Der 21-Jährige ist mit seinen beiden gleichalten Freunden Lukas und Michael zum ersten Mal beim EmS, trotzdem weiß er, worauf es ankommt. Auf dem Wagen haben die Straelener Proviant verstaut. Alles ist dabei: Ein Heizstrahler (es könnte ja kalt werden), Dosenbier in Massen (auf dem Zeltplatz ist Glas ja verboten) und eine Mülltonne (sehr wahrscheinlich nicht, um darin Müll zu entsorgen). „Es gibt nichts, was wir nicht dabei haben“, sagt Lukas. „Bis auf ein Sofa und eine Wohnwand“. Wer auf ein Festival fahren möchte, müsse seinen Besuch planen, sagen die Jungs.

Festivals sind Freiluft-Veranstaltungen. Komfort Fehlanzeige. Gewaschen wird sich an provisorisch installierten Becken, die an solche zum Schuhe putzen auf Sportplätzen erinnern. In einem abgezäunten Bereich stehen Dixi-Toiletten in Reih’ und Glied, immer schön dicht und in Hörweite zum Nachbarn. Und Hauptnahrungsmittel auf dem Festival ist Bier.

Über das Gelände, auf dem schon am Morgen Rockmusik aus Boxen schallt, auf dem neben den Pavillons schon am Morgen Seen aus leeren Bierdosen liegen und die Männer mit nacktem Oberkörper herumlaufen, weht ein Hauch jugendlicher Unbeschwertheit.

Zu den Besuchern von EmS gehört auch Paula, die aus dem Sauerland angereist ist. „Wir sind schon gestern mit ungefähr 25 Leuten hier angekommen“, sagt sie. Die 20-Jährige trägt Flip-Flops und Shorts, alles ganz locker. „Wir sind die Lauten auf dem Platz. Die mit der Fahne.“

Inmitten der Zelte hat die Gruppe einen Garten-Pavillon aufgebaut. Darunter findet während des Festivals das gesellschaftliche Leben statt. Dort wird gekocht und gegessen. „Kochen“ auf Festivals meint: Dosen öffnen. Es gibt Ravioli und Fünf-Minuten-Terrine, liebevoll zubereitet auf einem Camping-Kocher. Anders geht es nicht. Anders darf es aber auch nicht sein— behaupten die meisten Festivalbesucher.

„Wir haben auch Grillfleisch dabei und hoffen, dass irgendwer einen Grill hat, sonst wird es schlecht“, sagt Paula. Auf dem Dach ihres Gemeinschaftszelts prangt an einem Fahnenmast ein selbstgebastelter Banner; darauf zu sehen ist ein stolzer Ziegenbock mit zwei Bierkrügen. „Weil die Jungs Bockbier trinken wollten, haben sie das Ding im Internet bestellt“, sagt Paula.

Nichts scheint die Vorfreude auf Eier mit Speck so gut zu symbolisieren wie das Banner auf dem Gartenpavillon. Konkurrenz macht ihr nur die Erfindung einer anderen Gruppe, die eine Musikanlage mühevoll in einen alten Bierkasten eingebaut hat. Betrieben wird sie mit einer Autobatterie. „Da muss man kreativ sein“, sagt Philip Irmen, der schon am Donnerstag aus Niederkrüchten angereist ist. Auch der 20-Jährige ist mit einer 25-köpfigen Gruppe beim EmS und gerade auf dem Weg zur Dusche im benachbarten Fußballstadion. Er gehört wie viele andere zu den Dauergästen.

Langeweile gibt es nie. Auf einer Wiese spielen ein paar andere Besucher Wikingerschach, ein Wurfspiel mit Holzfiguren, und wirken dabei wie kleine Jungs, die die Bescherung zu Heiligabend kaum noch abwarten können.

Die Gesichter der Besucher strahlen Gelassenheit aus. Sogar der mit einem Rolltrolley und einer schweren Kühlbox bepackte Besucher, der sich auf dem Weg vom Dauerparkplatz bis zum Zeltplatz abrackert, lächelt. Er wirkt wie die meisten anderen glücklich, sehr sogar. Trotz des fehlenden Komforts. Und der miefigen Dixi-Klos.