„De Kull“ zeigt mahnenden Fußball-Film

Die Dokumentation „Liga Terezin“ erinnert an die im KZ Theresienstadt organisierte Fußball-Liga, die von Gefangenen organisiert wurde.

Foto: Liga Terezin / Beit-Theresienstadt-Archiv

Oded Breda steht mitten in dem unkrautüberwucherten Innenhof und schießt einen Ball in den Himmel. Als das Spielgerät zurück auf den Boden stürzt, hallt das Echo des Aufpralls durch die leeren Gebäude um ihn herum. Dann ist der Dokumentarfilm „Liga Terezin“ zu Ende. Es geht um die Fußballliga, die die Gefangenen von 1942 bis 1944 im Konzentrationslager Theresienstadt organisiert haben. Pavel Breda, der Onkel von Oded Breda, hat auch mitgespielt — bevor er in der Gefangenschaft der Nationalsozialisten in Auschwitz starb.

Foto: K. Kellermann

Breda hat den Onkel zufällig auf einem Foto entdeckt, dass zwei Teams beim Einlaufen zeigt. 2012 hat er das Filmprojekt geleitet, da war er noch Leiter der Gedenkstätte „Beit Theresienstadt“ in Jerusalem. Nun kam er mit dem Film nach Mönchengladbach zum Fanprojekt De Kull. „Der Fußball kann die Erinnerung an den Holocaust hochhalten. Er soll eine Brücke der Erinnerung sein“, sagte er.

Breda hat Überlebende besucht, Männer, die in Theresienstadt, 40 Kilometer von Prag entfernt, Fußball spielten. Sie sind in den Ausschnitten eines Propaganda-Films zu sehen, den die Nazis 1944 gedreht haben, um das Vorzeige-Lager vorzustellen. „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“, heißt das Machwerk. Es gab Konzerte, es gab Fußball. Nach wenigen Wochen waren die meisten Menschen, die in dem Film zu sehen sind, tot. Ermordet. 157 000 Menschen lebten in Theresienstadt, 4136 überlebten.

Stephan Osnabrügge, Vorstandsmitglied der DFB-Kulturstiftung

Der Film zeigt Szenen aus dem Spiel der Jugendfürsorge gegen die Kleiderkammer, es gab das Team der Metzger und das der Elektriker, es gab Fortuna Köln, Sparta Prag und Arsenal. Es gab ausführliche Spielpläne, bis zu 3000 Zuschauer bei den Partien und sogar eine Sportzeitung, in der über die Ergebnisse berichtet wurde, sie wurde heimlich von Kindern gemacht. „Wenn du Fußball gespielt hast, wusstest du, dass du lebst“, sagt Peter Erben, einer der Überlebenden, die in der Ghetto-Liga spielten, in dem Film. Der Fußball war keine Rettung, aber eine Ablenkung. Alltag im Wahnsinn. Als das Filmteam, das den Propaganda-Streifen drehte, über einen schlammigen Platz stapft, sieht man im Hintergrund das Krematorium von „Terezin“, wie Theresienstadt auf Tschechisch heißt.

Mehr als 50 Menschen kamen zu „De Kull“, um den Film zu sehen und dann mit Breda sowie Stephan Osnabrügge aus dem Vorstand der Kulturstiftung des DFB darüber zu diskutieren. Es ging darum, welche Kraft der Fußball hat. „Ist er in dem Film mehr Brücke oder doch Propaganda-Mittel?“, fragte Thomas Ludwig, Vorsitzender des FPMG Supporters Club, der Dachorganisation der Borussen-Fans. Er meinte die Frage rhetorisch, doch tatsächlich hatten auch die Nazis die Faszination des Spiels erkannt — wo Fußball, gespielt wird, geht es den Menschen gut. Das wollten sie in ihrem Film suggerieren. Die Veranstaltung war ein Teil des Bildungsangebotes des hiesigen Fanprojekts. Marius Künzel, der seit eineinhalb Jahren im Fanprojekt arbeitet und seit Dezember 2016 die Bildungsarbeit leitet, hat sie organisiert. Drei bis vier solcher Angebote gibt es pro Jahr. „Sie werden gut angenommen“, sagt Künzel. „Es sollen Anregungen sein zum Nachdenken und für Gespräche“, sagt der Sozialarbeiter. Es geht um Themen wie Antisemitismus, Gewalt, Homophobie, Spielsucht. Immer aber ist der Fußball das thematische Transportmittel. „Mit dem Fußball lassen sich viele Themen transportieren“, sagt Künzel. „Die Strahlkraft des Spiels ist zugleich auch eine Verantwortung“, sagt Stephan Osnabrügge.

Dass ihr Lieblingsverein diese Verantwortung in besonderer Weise schon vor vielen Jahren übernommen hat, berichtete Oded Breda den jungen Fans. „1970 war Borussia die erste deutsche Mannschaft, die in Israel spielte. Es war ein Testspiel für unser Nationalteam vor der Fußball-Weltmeisterschaft 1970. Die Borussen haben 6:0 gewonnen. Sie haben mit ihrem Spiel schon in den ersten 45 Minuten mehr Sympathien aufgebaut, als alle Diplomatie in vielen Jahren vorher“, sagte er. Und er stellte klar: „Ich liebe den Fußball.“ Das Echo des aufspringenden Balles auf dem improvisierten Spielfeld in Theresienstadt klang da noch nach.