Der Kaiserschnitt ist „out“
Die Quote liegt in Gladbach bei 22,79 Prozent — der niedrigste Wert im Rheinland und ein Gegentrend zum bundesweiten Anstieg.
Mönchengladbach. Für die meisten Geburtskliniken sind Zwillingsgeburten ein Risikofaktor. Das erlebte zumindestens Marion Urmes-Breuer, als sie 2005 in dieser Situation war: „In allen Krankenhäusern der Region riet man mir zum Kaiserschnitt“, sagt die Jüchenerin. Erst im Rheydter Elisabeth-Krankenhaus gaben die Geburtshelfer „grünes Licht“ für eine natürliche Geburt. Ihr Fall ist keine Ausnahme in Mönchengladbach.
Zumindest was die Anzahl der Kaiserschnittgeburten angeht, steht die Stadt an der Tabellenspitze. Diese Zahlen stellte jetzt die AOK zusammen: Gemeinsam können die drei Gladbacher Geburtskliniken die geringste Rate im Rheinland vorweisen.
Die Quote beträgt 22,79 Prozent und unterschreitet damit auch den NRW-Schnitt von 33,6 Prozent. Zum Vergleich: 2011 kamen im benachbarten Kreis Heinsberg 40,09 Prozent der Kinder per Kaiserschnitt zur Welt. Das Gladbacher Niveau sei konstant und ein Gegentrend zum bundesweiten Anstieg, betont AOK-Regionaldirektor Heinz Frohn.
1991 wurde jedes siebte Kind per Kaiserschnitt entbunden, 2010 war es bereits jedes dritte. Die Rate für eine operative Geburt auf Wunsch liege bei etwa zwei Prozent. „Besonders prominente Vorbilder machen diesen operativen Eingriff ohne Notwendigkeit als unkomplizierte und planbare Geburtsmethode populär“, sagt Harald Lehnen, Chefarzt der Gynäkologie im Elisabeth-Krankenhaus.
Ein Kaiserschnitt lasse sich allerdings nicht immer vermeiden. „Bei bestimmten Komplikationen ist er die sicherste Methode für den Schutz des Leben von Mutter und Kind“, sagt der Gynäkologe. Eine schwere Erkrankung der Mutter wie HIV, eine komplizierte Lage des Kindes oder eine Frühgeburt könnten diese Vorgehensweise unumgänglich machen, so Lehnen. Allerdings: „Ein Kaiserschnitt bleibt eine Operation und ist mit Risiken verbunden“, betont Ludwig Gleumes.
Eine spontane Geburt sei für das Kind der bessere Schritt ins Leben, etwa um das Immunsystem nachhaltig zu stärken. Der Chefarzt der Geburtshilfe am Bethesda Krankenhaus hält in nur zehn Prozent der Fälle diesen Eingriff für notwendig.
Sein Krankenhaus konnte die Kaiserschnittrate durch das System der Beleghebamme drastisch senken. Die kontinuierliche Betreuung der werdenden Mutter nehme ihr die Ängste und stärke ihr Vertrauen in die eigene Fähigkeit, das Kind auf natürlichem Weg zu gebären, so der Gynäkologe. Auch Ralf Dürselen setzt bei der Geburtshilfe im Krankenhaus Neuwerk auf ein geschultes Team.
„Mir ist es wichtig, die Hebammen dabei zu unterstützen, ihren Job gut zu machen und die Geburt primär zu leiten“, sagt der Chefarzt der Gynäkologie. Ebenso wichtig wie die personelle Ausstattung sei es für eine möglichst komplikationslose Geburt, die Kreißsäle technisch auf den neusten Stand zu bringen, betont Dürselen.