Urteil gefällt Drei Jahre Haft für Unfallfahrer

Der Anwalt der Eltern des 2017 bei einem Unfall getöteten 38-jährigen sieht das Urteil als ein „Signal“ an.

Berechnungen haben gezeigt, dass dem getöteten Unfallopfer nur ein Meter zu seiner Rettung gefehlt hätten.

Foto: Sascha Rixkens

Im Raum 227 herrscht großes Gedränge, es gibt keinen freien Sitzplatz mehr, ein Dutzend Journalisten und etwa 50 Zuschauer sind zugegen. Der 29-jährige Angeklagte aus Schwalmtal wirkt mitgenommen. Der mitangeklagte 26-Jährige Willicher kommt erst unmittelbar vor Beginn mit einem Sakko über dem Kopf in den Saal. Um kurz nach 13.30 Uhr verkündete die das Landgericht Mönchengladbach am Dienstag die Urteile im „Raserprozess“: Der 29-jährige Unfallfahrer wird wegen fahrlässiger Tötung zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt, der Mitangeklagte muss wegen Unfallflucht eine Geldstrafe in Höhe von 3000 Euro zahlen.

Beide wurden verdächtigt, sich im Juni 2017 in einer Tempo-40-Zone ein spontanes Autorennen geliefert zu haben. Bei einem Überholversuch fuhr der Schwalmtaler auf die Gegenspur der vierspuren Straße. Dort erfasste er einen 38-Jährigen, der die Straße überqueren wollte. Der Mann wurde durch den Zusammenprall 37 Meter durch die Luft geschleudert und verstarb noch an der Unfallstelle. Zunächst wurde auch gegen einen dritten Autofahrer wegen des mutmaßlichen Rennens ermittelt, diese Untersuchungen wurden aber eingestellt.

Ein Rennen bestritten die Angeklagten bis zum Schluss

Der Unfallfahrer hatte zu Prozessbeginn gestanden, viel zu schnell gefahren zu sein. Beide Männer bestritten jedoch, sich ein Rennen geliefert zu haben. Zu Beginn der Urteilsbegründung erklärte der Vorsitzende Richter, Ralf Gerads, dass den Beratungen ein „schwieriger Sachverhalt“ zugrundegelegen habe. Der wegen Unfallflucht verurteilte Willicher habe zwar durch seine Beschleunigung an der Ampel an der Kreuzung Korschenbroicher/Theodor-Heuss-Straße und ein anschließendes Überholmanöver für zwei weitere Fahrer den Startschuss für ein Rennen gegeben. Selbst habe er keinen Willen gezeigt, ein Kräftemessen oder Rennen zu gewinnen.

Foto- und Videoaufnahmen einer Baustellenkamera in unmittelbarer Nähe der Unfallstelle hätten gezeigt, dass er nach dem Beschleunigen seine Geschwindigkeit gehalten habe und nicht schneller geworden sei. Etwa 130 Meter vor der Unfallstelle habe er dann ohne nachvollziehbaren Grund einen Spurwechsel vollzogen. Laut Sachverständigem sei der Fußgänger, der die Fliethstraße von rechts nach links überqueren wollte, aus mindestens 40 Metern Entfernung sichtbar gewesen. Auswertungen der Baustellenkameras zeigen, dass der Mann die Autos wahrnimmt und zu laufen beginnt, um die Gefahrenzone zu verlassen. Doch der 29-jährige Unfallfahrer überholt den Willicher im Gegenverkehr, bremst erst ab, als ihn sein Bruder auf den Fußgänger hinweist. Berechnungen zufolge fehlte dem Opfer ein Meter, um die Gefahrenzone rechtzeitig zu verlassen.

Mehr Wachsamkeit hätte den Unfall verhindern können

Der Unfallfahrer habe sich laut Kammer eines „unendlich hohen Maßes an Pflichtwidrigkeiten“ schuldig gemacht: Die Geschwindigkeit, die ein Sachverständiger zum Unfallzeitpunkt mit mindestens 92 km/h bemaß, das Einlassen auf die Kraftprobe und die mit der gegenseitigen Steigerung begründete Gefährlichkeit. Zudem wäre der Unfall zu verhindern gewesen, wenn der Fahrer den Verkehr beobachtet hätte und nach dem Überholen zurück in die korrekte Spur gewechselt wäre. „So hatte das Opfer keine Chance“, erklärte die Kammer.

Beide Angeklagten tragen ihre Kosten sowie die des Nebenklägers. Der Willicher erhält seinen Führerschein zurück. Horst Hornek, der die Eltern des Opfers als Nebenkläger vertritt, hält das Urteil für angemessen. Der ganze Sachverhalt sei aber natürlich nichts, womit man zufrieden sein könne: „Die Angehörigen hatten das Gericht aber um ein Signal gebeten, das von diesem Verfahren ausgehen solle, und dies ist ein Signal.“ Innerhalb einer Woche können beide Angeklagten Revision einlegen.