DRK-Großübung: Kunstblut für die Dramatik

Das Rote Kreuz hat den Ernstfall geprobt — unter möglichst realistischen Bedingungen.

Mönchengladbach. Es ist eine erschreckende Szene: Miriam Fabry, 15 Jahre alt, kauert in der Ecke einer Halle und krümmt sich offenbar vor Schmerzen. Ihr Gesicht, so scheint es, ist blutverschmiert und voller Glasscherben. Bei einer Gasexplosion, bei der es insgesamt 15 Verletzte gab, ist ihr eine Glastüre entgegengekommen. „Bitte helfen Sie mir“, schreit sie verzweifelt.

Die 60 ehrenamtlichen Helfer des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) versuchen erst einmal, einzuschätzen, wie viele Opfer es gibt und wie viele leicht und wie viele schwer verletzt sind. Zugführer Carsten Petzold, 25 Jahre alt, leitet den Einsatz und entscheidet, wer was zu tun hat.

Die 19-jährige Liliane Geringer vom DRK bringt Miriam aus der Halle auf eine Wiese und versucht, für sie da zu sein. Die Glassplitter darf sie nicht herausnehmen, weil die Gefahr der Verblutung besteht. Das geschieht erst im Krankenhaus.

Andere Jugendliche haben Verbrennungen im Gesicht. Die 14-jährige Laura Korioth steht unter Schock. Sie ist ganz weiß und hat blaue Lippen und Ohrläppchen. Der Schweiß steht ihr im Gesicht. Sie weiß nicht mehr, was passiert ist. Mit angewinkelten Beinen liegt sie da und wippt hin und her.

Die DRK-Helferin Jeannine Hoffmann (20) bringt sie zusammen mit einem anderen Helfer auf einer Trage aus der Halle. Als Laura ohnmächtig wird, wird sie in die stabile Seitenlage gebracht und kommt dann mit den anderen schwerer Verletzten ins gerade aufgebaute Zelt.

Laura und Miriam gehören zu den 15 „Mimen“, die bei der DRK-Großübung auf dem Übungsplatz in Güdderath die Verletzten spielen. Alle gehören zum Jugendrotkreuz Mönchengladbach. Sie stellen ein Szenario dar, das so auch in der Realität vorkommen kann: die Explosion einer Gasflasche und ein Brand auf einem Zeltlager von Jugendlichen.

Die jungen Teilnehmer haben im Kurs „Realistische Notfalldarstellung“ gelernt, Unfälle zu simulieren und entsprechend zu schauspielern. Für die Schmink-Experten, die für die richtige Dramatik sorgen, gibt es extra Kurse. So haben sie Miriams Glasscheiben-Wunden mit hautfarbenem Wachs, Plastik-Colaflaschen und Kunstblut modeliert. Laura wurde blau-weiß geschminkt, der Schweiß ist Glycerin. Ein besonderer Clou ist eine Schiene mit Gewinde, das der Darstellerin Johanna Schmitz am Bein angebracht wurde. Mit diesem Trick sah es so aus, als ob Johanna ein Schraubenzieher im Bein stecken würde.

Die ehrenamtlichen Helfer lernen alle zwei Wochen theoretisch und an Fallbeispielen, wie sie etwa Wunden und Brüche versorgen müssen. Großübungen wie diese gibt es einmal pro Jahr. Hier sollen die Ehrenamtler ihr Wissen festigen und das Erlernte in die Praxis umsetzen.

Liliane Geringer ist zum ersten Mal dabei: „Es ist spannend, bei der Großübung zu sehen, wie alles abläuft.“ Es helfe, Routine zu bekommen und sicherer zu werden, so Jeannine Hoffmann. Auch die „verletzten“ Jugendrotkreuzler finden ihre Treffen und die Übung sinnvoll. „Es ist gut, zu wissen, was man im Ernstfall machen muss“, sagt Miriam Fabry.