Einsturzgefahr in Mönchengladbach Die Bewohner haben fast alles verloren
Mönchengladbach. · Das evakuierte Wohnhaus an der Viersener Straße musste am Freitag in Teilen abgerissen werden.
Es ist um kurz nach 17 Uhr am Freitag, als die Wand nachgibt. Staub wirbelt an der Viersener Straße auf, als die Giebelwand des seit Mittwoch einsturzgefährdeten Wohnhauses in die benachbarte Baugrube kracht. Für die Bewohner des Hauses, dessen Giebelwand am Mittwoch abgesackt war und dadurch Zentimeter dicke Risse in die Fassade gesprengt hatte, ist es ein vernichtendes Urteil: Ihr Haus ist nicht mehr zu retten und muss abgerissen werden. Als die Giebelwand in die Baugrube gefallen ist, beginnen die Einsatzkräfte mit den Abrissarbeiten. Bis zum Abend wird das denkmalgeschützte Haus bis zur Hälfte abgerissen. Dann sagt Stadtsprecher Wolfgang Speen: „Die Sicherheit ist wieder hergestellt.“ In der kommenden Woche werde dann der Abriss beantragt. Dem muss auch die Denkmalbehörde zustimmen. Dann soll auch ein Fahrstreifen der Viersener Straße wieder freigegeben werden.
Meter um Meter arbeitet sich am Nachmittag ein Bagger mit Teleskop-Greifarm von oben nach unten vor. Möbelstücke, Einrichtungsgegenstände und persönliche Gegenstände aus den Wohnungen fallen in die Baugrube und landen im Schutt. Während in den Wohnungen noch Jacken an der Garderobe hängen, frisst sich der Bagger wenige Meter weiter durch das Mauerwerk. Der Abriss wirbelt jede Menge Staub auf. Ein Arbeiter versucht, die Baustelle mit Wasser aus einem Schlauch zu beregnen und den Staub damit zu binden.
Immer wieder greift der Bagger ein Möbelstück, Kommoden, Schränke, in denen die Bewohner ihre wichtigsten Habseligkeiten aufbewahrt haben. Die Bewohner haben dem Baggerfahrer vorher eine Skizze gegeben, wo Wichtiges zu finden ist. Am Abend kehren einige von ihnen zum Haus zurück und suchen auf der abgesperrten Straße vor dem Haus nach ihren wichtigsten persönlichen Dingen.
Bereits am Freitagmorgen ist klar: Das denkmalgeschützte Haus muss abgerissen werden. Darauf verständigen sich der Eigentümer, der Bauherr, das Bauordnungsamt und externe Prüf-Statiker in einer Besprechung.
Eigentlich soll aber zunächst nur die Giebelwand erst abgestützt und dann Stück für Stück abgetragen werden, der Rest des Hauses sollte in der kommenden Woche folgen. Doch nach dem Einsturz der Giebelwand drängt die Zeit.
Die Bewohner hatten am Mittwochmittag das Gebäude fluchtartig verlassen müssen, als sich plötzlich Risse durch das Haus zogen. Der Einsturz drohte, nachdem die Giebelwand abgesackt war. Rund 48 Stunden später steht fest: Sie dürfen das Haus auch nicht mehr betreten, um ihre wichtigsten Papiere oder Erinnerungen zu retten. Und wenige Stunden darauf ist klar, wie gefährlich es war, das Haus zu betreten: Gegen 17 Uhr stürzt die Giebelwand ein, sofort danach beginnt der Abriss des gesamten Hauses.
Seit Mittwoch sind Andrea Krölls und ihr Sohn Marco Krölls, Sven Wendler und eine weitere Mieterin in einem nahe gelegenen Hotel untergebracht. Der Schock ist auch am Freitag noch groß. „Ich habe erst einen kurzen Weinkrampf gekriegt, dann habe ich den Anwalt angerufen“, erzählt Andrea Krölls. „Alles, was wir haben, ist doch in der Wohnung!“ Am Morgen des Unglücks war sie selbst zwar nicht zu Hause. „Aber zum Glück war mein Sohn da, der die Katze retten konnte“, sagt sie. „Als es nur noch ,Alle raus, alle raus!’ hieß, habe ich mir Schuhe angezogen, die Katze geschnappt und bin los“, berichtet Marco Krölls. Bis Sonntag sollen sie noch in dem Hotel bleiben können, danach woanders unterkommen, sagt Andrea Krölls.
Auch Sven Wendler, der eine Wohnung nach hinten raus bewohnte, ist erst einmal sprachlos, als er hört, dass niemand mehr in das Gebäude dürfe. „Das ist vollkommen inakzeptabel“, sagt er konsterniert. Er sei am Morgen des Vorfalls zwar nicht in Panik geraten, „aber wenn der Putz von der Decke bröckelt – so schnell hatte ich meine Schuhe noch nie an.“
Vom Vermieter, dem auch das danebenliegende Haus gehört, hätten die Bewohner das Angebot bekommen, in die oberste Wohnung einzuziehen – alle vier Bewohner zusammen. Aber die Bewohner sind unsicher, ob sie das auch wollen: „Wer würde denn auch da wohnen wollen, wo nebenan gerade das Haus eingestürzt ist?“, fragt Marco Krölls und ergänzt: „Auch wenn die Stadt sagt, dass es dort sicher sei, da könnte ich kein Auge zu tun.“ Eine Starthilfe für neue Möbel könnte es zudem geben, dies habe der Hausverwalter ihnen gegenüber geäußert.
Während ihr Sohn sich immer wieder das Gebäude anschaut, bleibt Andrea Krölls lieber im Hotel, den Abriss will sie sich nicht ansehen. „Wenn da das eigene Hab und Gut durch die Luft fliegt, das tu ich mir nicht an“, sagt sie.