Versorger in Mönchengladbach Politik wirft NEW Leichtfertigkeit vor

Mönchengladbach. · Das Elektroauto „Sven“ sollte für die NEW der große Wurf werden. Das Scheitern des Projekts kostet 1,7 Millionen Euro.

Da war die Welt noch in Ordnung. Frank Kindervatter (NEW) präsentiert das Elektroauto, dass sich Nutzer teilen sollten.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Das Elektroauto „Sven“ soll für die NEW bald Geschichte sein, aber anders, als vom Mönchengladbacher Versorger bisher vorgesehen: Denn die Anteile am „Sven“-Entwickler Share2Drive sollen nun doch nicht an Innogy für 2,5 Millionen Euro abgetreten werden, sondern an den Mehrheitseigner von „Sven“. Das ist der Aachener Automobilzulieferer FEV. Das wollen NEW-Vorstandschef Frank Kindervatter und der Aufsichtsratsvorsitzende Hans Peter Schlegelmilch dem NEW-Aufsichtsrat vorschlagen, wie die NEW am Donnerstag mitteilte.

Damit endet das Investment, das die Bezirksregierung und die Landesregierung als rechtswidrig bezeichnet hatten. Denn die NEW war die Beteiligung im Sommer 2018 eingegangen, ohne vorher die Zustimmung des Stadtrates und der Räte in Viersen und dem Kreis Heinsberg einzuholen und ohne die Bezirksregierung zu informieren. Das schreibt aber die Gemeindeordnung zwingend vor. Seit November 2018 drängte die Bezirksregierung deshalb auf die Trennung von „Sven“. Dem folgt die NEW nun, aber anders als vom Vorstand erhofft.

Die NEW bleibt auf einem Verlust in Höhe von 1,7 Millionen Euro sitzen bleibt. Das Unternehmen erhält nur noch 800 000 Euro aus den Rücklagen des „Sven“-Entwicklers zurück. Ein Großteil des Kapitals, das die NEW in den Jahren 2018 und auch 2019 noch eingebracht hatte, sind verbraucht. Wenn Innogy die Anteile übernommen hätte, dann hätte der RWE-Nachfolger die volle Summe von gut 2,5 Millionen Euro an die NEW bezahlt und versucht, „Sven“ mit Gewinn zu verkaufen. Dann wäre im Sommer 2021 abgerechnet worden: Überschuss oder Verlust hätte dann die NEW tragen müssen. So herrscht aber bereits jetzt Klarheit.

Und das liegt daran, dass die FEV dem geplanten Deal der NEW mit Innogy nicht zugestimmt hat, wie aus einer Notiz der NEW an die Stadtverwaltung hervorgeht. Davon war aber alles abhängig, denn schließlich gehört dem Aachener Unternehmen „Sven“ zu großen Teilen. In der Ratssitzung im Dezember war Kindervatter noch zuversichtlich gewesen: „Es gibt keinen Grund, warum sie das verweigern sollten.“ Eine Fehleinschätzung. Die FEV will jetzt lieber alleine mit „Sven“ weitermachen, wie Schlegelmilch bestätigte: „Die NEW und die FEV sind daran interessiert, die Übertragung der Anteile schnellstmöglich umzusetzen.“ Auch hatte die NEW im Rat angekündigt, mit der FEV über einen sogenannten Besserungsschein verhandeln zu wollen. Durch dieses Konstrukt hätte die NEW irgendwann eventuell profitiert, wenn „Sven“ Geld abwirft. Doch davon war am Donnerstag nicht mehr die Rede.

Jetzt nimmt die Aufarbeitung des Falles an Fahrt auf. Die Entscheider der NEW begannen damit am Donnerstag in der Unternehmensmitteilung. CDU-Politiker Schlegelmilch: „In Aufsichtsrat und Politik war allen Entscheidungsträgern zu jedem Zeitpunkt bewusst, dass die Beteiligung an share2drive  eine Chance, aber auch ein finanzielles Risiko darstellt.“ Vorstand Frank Kindervatter wird mit den Worten zitiert: „Ich bedauere, dass wir bei der Beteiligung keinen Gewinn erzielen konnten. Aber Verluste gehören leider zum Geschäft dazu. Vor allem, wenn man versucht, neue Geschäftsfelder zu erschließen.“ Die NEW verwies überdies auf das für 2019 erwirtschaftete Rekordergebnis in Höhe von 73,9 Millionen Euro, darin ist der Verlust bereits aufgefangen. SPD-Fraktionschef Felix Heinrichs, Mitglied des NEW-Aufsichtsrates, räumte ein: „Leider ist das nicht die Variante, die wir wollten.“ Und zum gesamten Prozess sagte er: „Daraus muss man lernen.“

Fraktionen wollen das Unternehmen in Haftung nehmen

Die Opposition im Rat kritisierte die NEW scharf. „Ja, eine solche Beteiligung birgt finanzielle Risiken. Hier wurde der Schaden aber nicht durch das allgemeine Geschäftsrisiko ausgelöst, sondern durch die Tatsache, dass die Beteiligung durch das rechtswidrige Vorgehen der NEW entwertet wurde“, sagte FDP-Fraktionschefin Nicole Finger. „Weder Vorstand noch Aufsichtsrat wollen dafür bislang die Verantwortung übernehmen. Die Frage, inwiefern die Beteiligten nun persönlich haften, ist dennoch zu klären.“ Torben Schultz, Vorsitzender der Linken-Fraktion, sagte: „Die NEW hat 1,7 Millionen Euro verbrannt. Und zwar nicht deshalb, weil eine Chance nicht funktioniert hat, sondern weil wissentlich handwerklich miserabel gearbeitet worden ist.“ Grünen-Politiker Karl Sasserath findet: „Die Frage nach der Haftung ist begründet, denn die Entscheidung zur Beteiligung ist durch ein rechtlich zu hinterfragendes Verhalten im Aufsichtsrat zustande gekommen.“