Er hat das zweite Gesicht

Adolf Junker schaut in die Zukunft. WZ-Mitarbeiterin Sabrina Geratz hat den Blick gewagt.

Mönchengladbach. Schon beim Betreten der Wohnung wird klar: Hier wohnt jemand mit vielen Hobbies. An den Wänden im Flur hängen selbst gemalte Öl-Bilder, im Nebenzimmer stehen Nachbauten von Karussells, Schaustellerwagen und ein eigens gebauter Miniatur-Zirkus im Kofferformat. Die Schränke, Regale und Wände im Wohnzimmer zieren zahlreiche Rosenholzfiguren.

Adolf-Mathias Junker sitzt am Wohnzimmertisch. Vor ihm auf einer roten Samttischdecke ausgebreitet: Ein Kartenspiel. Es ist ein gewöhnliches Kartenspiel, kein Tarot. "Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge", erklärt Amaju, wie Junker sich als Kartenleger und Wahrsager nennt. Das Kartenlegen hat er von seiner Großmutter gelernt. "Sie meinte, ich hätte das zweite Gesicht", erzählt der 64-Jährige.

Auf die Frage, wie das Kartenlegen funktioniere, sagt er: "Es gibt Dinge zwischen Himmel und Hölle, die sich mit der menschlichen Weisheit nicht erklären lassen." Zu Junker kommen Leute aller Gesellschaftsschichten, im Alter von 35 bis 55 Jahren. "Ich verstehe das Kartenlegen als eine Art Lebenshilfe", sagt Junker.

Allerdings gibt es für ihn auch Tabus: "Ich sage nichts über den Tod oder über Krankheiten", erzählt der ehemalige Kirmes-Schausteller. Der Schausteller nimmt kein Geld für seine Dienste, seine Trefferquote liegt bei 70 Prozent - das sagt Junker selbst.

Junker hält jetzt noch sieben Karten in der Hand, der Rest ist bereits abgelegt. Entweder stellt man selbst sieben Fragen oder Amaju legt sie ab und erzählt, was er sieht. Leichtes Zögern. Selbst, wenn man nicht unbedingt an diese "Magie" glaubt, macht sich Unsicherheit breit. Ein mulmiges Gefühl.

Adolf-Mathias Junker kann auf ein bis jetzt abwechslungsreiches Leben zurückblicken: "Mein Leben ist bunt wie ein Flickenteppich", sagt der Rheydter.

Als Sohn einer Schaustellerfamilie - die Spuren lassen sich offiziell bis ins Jahr 1853 nachweisen - stand er mit drei Jahren das erste Mal auf der Bühne. Bis 1984 besaß er acht Wagen mit Ring- und Pfeil-Werfen und ein Kasperletheater: Auch wenn er 1984 dem Schaustellerleben abschwörte und als Baumarktleiter bei der Metro arbeitete, hat sich die Liebe für das Theater gehalten. Noch heute spielt er vor Kindern.

Im nächsten Jahr meldet er sich mit seinem Sohn und seinem Neffen mit einer Simulationsshow zurück, einer parapsychologischen Seance. "Wir lassen Leute, die in Zirkel nicht rein können oder Angst haben, an einer Sitzung teilhaben", erzählt Junker. Schon jetzt hat das Trio Anfragen unter anderem für den Bremer Freimarkt und den Hamburger Dom. "Veranstaltungen, der ersten Güte", sagt er und freut sich.

Die Karten sind gelegt, und es sieht gar nicht so schlecht aus. Junker sieht eine frische Verliebtheit, ein Häuschen im Grünen, leider in der nächsten Zeit keinen großen Geldeingang. Alles in allem aber kein Grund, um ein mulmiges Gefühl vor der Zukunft zu haben - Amaju sei Dank.