Fall Leo: Vater legt Geständnis ab

Seit gestern beschäftigt der grausame Tod des Säuglings, der nur 19 Tage alt wurde, das Schwurgericht. Die angeklagten Eltern sagten am ersten Tag des Prozesses aus.

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Unter großem Interesse von Publikum und Medien beginnt am gestrigen Dienstag im Schwurgerichtssaal des Landgerichts der Prozess um den grausamen Tod des kleinen Leo, gerade 19 Tage alt. 25 Journalisten warten am Morgen auf das angeklagte Ehepaar, das für den Tod des kleinen Säuglings im vergangenen Oktober verantwortlich gemacht wird. Für die Kammer um den Vorsitzenden Richter Lothar Beckers beginnt der erste Prozesstag mit Ärger: Der Gefangenen-Sammeltransport, der die Mutter aus der Untersuchungshaft in Dinslaken ins Gericht bringen soll, hat 45 Minuten Verspätung. „Aus banalen Gründen“, schimpft Beckers und ordnet für die übrigen sechs Verhandlungstage Einzeltransporte an.

Zu diesem Zeitpunkt sitzt der wegen Mordes angeklagte Vater bereits mit seinem Verteidiger Michael Rost in der Vorführzelle und bespricht den Tag, an dem er gestehen wird, seinen Sohn ermordet, gequält, misshandelt und missbraucht zu haben. Im Gerichtssaal werden derweil die vielen wartenden Zuschauer einzeln eingelassen und kontrolliert, unter ihnen auch einige Verwandte der Mutter. Die Eltern des Vaters verfolgen den Prozess hingegen nicht im Saal. Mindestens acht Justiz-Wachtmeister bewachen permanent den Schwurgerichtssaal.

Nacheinander treten die beiden Angeklagten ein, versuchen sich mit Aktendeckeln vor den Kameras zu schützen. Im Gerichtssaal meiden der 26-Jährige und die 25-jährige Mutter des am 2. Oktober 2015 geborenen gemeinsamen Kindes einander. Sie sitzen jeweils am anderen Ende der Anklagebank. Dem Mann wirft die Staatsanwältin Mord, schweren sexuellen Missbrauch von Kindern und Misshandlung von Schutzbefohlenen in vier Fällen vor.

Totschlag durch Unterlassen wirft die Anklage Leos Mutter vor. In der Tatnacht soll sich die 25-Jährige schlafend gestellt haben, obwohl sie die Schreie des misshandelten Kindes gehört haben soll. Billigend soll sie in Kauf genommen haben, dass ihr Mann aus Eifersucht den kleinen Leo tötete, so die Staatsanwältin.

Der Vater gibt über seinen Verteidiger eine dünne Erklärung ab. Sein Mandant gibt die Vorwürfe zu und bereut, was er getan hat. Erklären könne er sein Verhalten nicht. Weitere Fragen wird mein Mandant nicht beantworten“, sagt der Verteidiger Michael Rost. Von da an verfolgt der Vater von Leo die Gerichtsverhandlung schweigend und ohne große Regung.

Unter bitteren Tränen zeigt sich dagegen die Mutter des Säuglings aussagebereit. „Ich habe bei der Kripo etwas Falsches gesagt“, beginnt sie zur Überraschung der Zuhörer. „Man kann nicht in Worte fassen, wie eine Mutter sich fühlt, der das Kind genommen wurde. Ich wollte nur, dass die Vernehmung bei der Kripo aufhört, deshalb habe ich etwas gesagt.“

In den Vernehmungen durch Kriminalbeamte soll sie gesagt haben: „Ich habe die Schreie, die ich gehört habe, ignoriert.“ Nachdem sie sich etwas gefasst hat, erinnert sich die Angeklagte an den Morgen nach der Tatnacht im Oktober 2015. Ihr Mann sei damals gegen acht Uhr zu dem Kinderbettchen gegangen und habe gesagt, Leo sei tot.

„Ich habe geschrien. Ich glaubte an einen plötzlichen Kindstod.“ Die Obduktion noch am selben Tag zeigt aber Spuren von Gewalttaten gegen den Körper des Jungen. In den Vernehmungen durch die Kriminalbeamten, zeigt sich der Vater von Leo erst nach längerem Zögern geständnisbereit. Er gibt zu, eifersüchtig auf das Kind gewesen zu sein. „Alles drehte sich um Leo, für mich gab es keine Zärtlichkeit“, beschwerte sich der Angeklagte. Seinen Sohn sah er als Rivalen. Der Säugling habe ihn provoziert, sagte der Angeklagte dem Kriminalbeamten bei der Vernehmung.

Die grausamen Details, die im Gerichtssaal zur Sprache kommen, erschrecken selbst die erfahrenen Beteiligten. „Ich habe schon viele Mordfälle verhandelt“, sagt Gerd Meister, Verteidigerin der Mutter. „Dieser Fall ist das Schlimmste, was ich erlebt habe. Und ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen.“